Rassismus


aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wechseln zu: Navigation, Suche
25px Rassendiskriminierung ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Der Begriff steht auch für die Schweizer Rassismus-Strafnorm.

Rassismus ist eine Ideologie, die „Rasse“ in der biologistischen Bedeutung als grundsätzlichen bestimmenden Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften deutet und Rassen nach Wertigkeit einteilt. Der Begriff Rassismus entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der kritischen Auseinandersetzung mit auf Rassentheorien basierenden politischen Konzepten. In anthropologischen Theorien über den Zusammenhang von Kultur und rassischer Beschaffenheit wurde der Begriff der Rasse mit dem ethnologisch-soziologischen Begriff „Volk“ vermengt, z. B. von der „völkischen Bewegung“ in Deutschland und Österreich.

Datei:Karl Ernst von Baer Types Principaux des Differents Race Humaines.jpg
Eine für das 19. Jahrhundert typische systematische Einteilung der Menschen in Rassen (nach Karl Ernst von Baer, 1862)

Rassismus zielt dabei nicht auf subjektiv wahrgenommene Eigenschaften einer Gruppe, sondern stellt deren Gleichrangigkeit und im Extremfall deren Existenzberechtigung in Frage. Rassische Diskriminierung versucht typischerweise, auf (projizierte) phänotypische und davon abgeleitete persönliche Unterschiede zu verweisen.

Unabhängig von seiner Herkunft kann Rassismus jeden Menschen betreffen. Die Konvention der Vereinten Nationen unterscheidet nicht zwischen rassischer und ethnischer Diskriminierung.<ref>UNESCO, Erklärung über Rassen und Rassenvorurteile vom 27. November 1978</ref> Ein erweiterter Rassismusbegriff kann auch eine Vielzahl anderer Kategorien miteinbeziehen. Menschen mit rassistischen Vorurteilen diskriminieren andere aufgrund solcher Zugehörigkeit, institutioneller Rassismus verweigert bestimmten Gruppen Vorteile und Leistungen oder privilegiert andere. Rassistische Theorien und Argumentationsmuster dienen der Rechtfertigung von Herrschaftsverhältnissen und der Mobilisierung von Menschen für politische Ziele.<ref>Die Zeit: Lexikon in 20 Bänden, Zeitverlag, Hamburg 2005, ISBN 3-411-17560-5 (Gesamtwerk), Band 12, S. 89; Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 27. Februar 2007.</ref> Die Folgen von Rassismus reichen von Vorurteilen und Diskriminierung über Rassentrennung, Sklaverei und Pogrome bis zu sogenannten „ethnischen Säuberungen“ und Völkermord.

Zur Distanzierung vom Rassebegriff wird in der Humanbiologie heute nur noch eine (willkürliche) Untergliederung des Menschen in Populationen vorgenommen. In der Biologie ist Homo sapiens die einzige rezente Art und wird weder in „Rassen“ noch in Unterarten unterteilt.

Der Begriff des Rassismus überlappt mit dem der Fremdenfeindlichkeit und lässt sich oft nur ungenau von diesem unterscheiden. Teile der Sozialwissenschaft unterscheiden zwischen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

Inhaltsverzeichnis

Allgemein

Rassismus, im strengen Sinne des Wortes, erklärt soziale Phänomene anhand pseudowissenschaftlicher Analogieschlüsse aus der Biologie. Als Reaktion auf die egalitären Universalitätsansprüche der Aufklärung versucht er eine scheinbar unantastbare Rechtfertigung sozialer Ungleichheit durch den Bezug auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Kultur, sozialer Status, Begabung und Charakter, Verhalten etc. gelten als durch die erbbiologische Ausstattung determiniert. Eine vermeintlich natur- oder gottgegebene, hierarchisch-autoritäre Herrschaftsordnung und die daraus gefolgerten Handlungszwänge dienen der Rechtfertigung von Diskriminierung, Ausgrenzung, Unterdrückung, Verfolgung oder Vernichtung von Individuen und Gruppen – sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene. Unterschiede in Hautfarbe, Sprache, Religion und Kultur stabilisieren die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Gruppen und sollen die Vorrangstellung des Eigenen vor dem Fremden sichern. Der zivilisatorische Fortschritt der Moderne wird als dekadente, einer natürlichen Ungleichheit der Menschen widersprechende Verfallsgeschichte interpretiert.<ref name="ldp497">Lexikon der Politik, Hrsg. Dieter Nohlen, München 1995, ISBN 3-406-36904-9: Band 1. Politische Theorien, S. 497.</ref>

Die Wurzeln des Rassismus reichen zurück bis in die frühe Geschichte der Menschheit. Der Historiker Imanuel Geiss sieht in den historischen Grundlagen des indischen Kastenwesens die „älteste Form quasi-rassistischer Strukturen“ (Geiss, S. 49 f.).<ref name="Geiss">Imanuel Geiss: Geschichte des Rassismus. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-518-11530-8.</ref> Laut Geiss nahmen sie ihren Anfang spätestens mit der Eroberung Nordindiens durch die Arier gegen 1500 v. Chr.; „Hellhäutige Eroberer pressten unterworfene Dunkelhäutige als ‚Sklaven‘ in die Apartheid einer Rassen-Kasten-Gesellschaft, die sich auf Dauer in der ursprünglichen Form nicht halten ließ, aber zur extremen Fragmentierung und Abschottung der Kasten als unübersteigbare Lebens-, Berufs-, Wohn-, Essens- und Ehegemeinschaften führte“ (ebenda).<ref name="Geiss" /> Im antiken Griechenland wurden die Barbaren zwar nicht als „rassisch minderwertig“, sondern „nur“ als kulturell, bzw. zivilisatorisch Zurückgebliebene betrachtet,<ref>Vgl. z. B. Albrecht Dihle: Die Griechen und die Fremden. C. H. Beck 1994, ISBN 3-406-38168-5.</ref> aber auch hier sprechen einige Historiker von prototypischem – oder auch „Proto-Rassismus“.

Der „moderne“ Rassismus entstand im 14. und 15. Jahrhundert und wurde ursprünglich eher religiös begründet (Fredrickson, S. 14).<ref name="Fredrickson">George M. Fredrickson: Rassismus – Ein historischer Abriss, Hamburger Edition, 2004, ISBN 3-930908-98-0.</ref> Ab 1492, nach der Reconquista, der Rückeroberung Andalusiens durch die Spanier, wurden Juden und Muslime als „fremde Eindringlinge“ oder schlicht als „marranos“ (Schweine) verfolgt und aus Spanien vertrieben. Zwar existierte die formale Möglichkeit der (mehr oder weniger freiwilligen) Taufe, um Vertreibung oder Tod zu entrinnen, jedoch wurde angenommen bzw. unterstellt, dass die Conversos (konvertierte Juden) oder Moriscos (konvertierte Mauren) weiterhin heimlich ihren Glauben ausübten,<ref>„Dass die ersten Bekehrungen nicht aufrichtig gemeint waren, stand außer Zweifel und erweckte den Argwohn der ‚Altchristen‘, Man kann sagen, dass ihre Intelligenz nicht einfach anders geartet ist als die unsrige, sie ist ihr weit unterlegen.».<ref>Voltaire: „La race des Nègres est une espèce d’hommes différente de la nôtre comme la race des épagneuls l’est des lévriers , bzw. deren Vertretern weisen meiner Ansicht nach darauf hin, dass es eine allgemeine Geschichte des Rassismus und eine Geschichte partikulärer Rassismen gibt; doch um die verschiedenen Formen und Funktionen des allgemeinen Phänomens zu verstehen, mit denen wir uns befassen, ist es notwendig, den jeweils spezifischen Kontext zu kennen.

Ein deterministischer kultureller Partikularismus kann das gleiche bewirken wie ein biologisch begründeter Rassismus, wie wir später bei den Erörterungen über den völkischen* Nationalismus in Deutschland und Südafrika noch feststellen werden. Zeitgenössische britische Soziologen haben ein Phänomen ausgemacht und analysiert, das sie den „neuen kulturellen Rassismus“ nennen. John Solomos und Les Back vertreten beispielsweise die Auffassung, dass Rasse heute „als Kultur kodiert“ wird und dass „das zentrale Merkmal dieser Prozesse darin besteht, dass die Eigenschaften von sozialen Gruppen fixiert, naturalisiert und in einen pseudobiologisch definierten Kulturalismus eingebettet werden“. Rassismus ist daher eine Ideologie, „die ihre Wirksamkeit der Fähigkeit verdankt, Ideen und Werte aus anderen soziohistorischen Zusammenhängen aufzupicken und zu verwenden“ („scavenger ideology“). Aber es gibt auch "starke Kontinuitäten in der Konstruktion von Bildern des „Anderen“ sowie in den Bildern, die rassistische Bewegungen verwenden, um die Grenzen von „Rasse“ und „Nation“ zu definieren". Diese Kontinuitäten weisen meiner Ansicht nach darauf hin, dass es eine allgemeine Geschichte des Rassismus und eine Geschichte partikularer Rassismen gibt; doch um die verschiedenen Formen und Funktionen des allgemeinen Phänomens zu verstehen, mit dem wir uns befassen, ist es notwendig, den jeweils spezifischen Kontext zu kennen.; Aus: George M. Fredrickson: Rassismus – Ein historischer Abriss, Hamburger Edition, 2004, ISBN 3-930908-98-0, S. 16

Die Soziologen Loïc Wacquant und Albert Memmi empfehlen, „ein für alle mal auf die allzu dehnbare Reizvokabel Rassismus zu verzichten oder sie allenfalls zur Beschreibung empirisch analysierbarer Doktrinen und Überzeugungen von Rassen zu verwenden;“<ref>Loic J. D. Wacquant: For an Analytic of Racial Domination; in: Diane E. Davis: Political Power and Social Theory, Band 11, JAI Press, 1997, ISBN 0-7623-0242-9, S. 222.</ref> bzw. den Terminus «Rassismus», wenn überhaupt, dann ausschließlich zur Bezeichnung des Rassismus im biologischen Wortsinne zu gebrauchen (Memmi, S. 121).<ref name="Memmi">Albert Memmi, Rassismus, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1992, ISBN 3-434-46096-9.</ref>

Memmi fasst den «Rassismus im weiteren Sinne» als einen «allgemeinen Mechanismus» auf, der jedoch in verschiedenen Spielarten auftritt, von denen der «Rassismus im engeren Sinne» nur eine ist. Weil ein Rassismus sich ohne ein Verständnis des anderen nur unzureichend begreifen lasse und der «Rassismus im weiteren Sinne» wesentlich stärker verbreitet sei, schien es ihm sinnvoll, „den biologischen Rassismus, historisch eine relativ junge Erscheinung, einer allgemeineren und viel älteren Verhaltensweise unterzuordnen“ (Memmi, S. 97).<ref name="Memmi" /> „Tatsächlich stützt sich die rassistische Anklage bald auf einen biologischen und bald auf einen kulturellen Unterschied. Einmal geht sie von der Biologie, dann wieder von der Kultur aus, um daran anschließend allgemeine Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Persönlichkeit, des Lebens und der Gruppe des Beschuldigten zu ziehen. Manchmal ist das biologische Merkmal nur undeutlich ausgeprägt, oder es fehlt ganz. Kurz, wir stehen einem Mechanismus gegenüber, der unendlich mannigfaltiger, komplexer und unglücklicherweise auch stärker verbreitet ist, als der Begriff Rassismus im engen Wortsinne vermuten ließe. Es ist zu überlegen, ob man ihn nicht besser durch ein anderes Wort oder eine andere Wendung ersetzt, die sowohl die Vielfalt als auch die Verwandtschaft der einzelnen Formen des Rassismus zum ausdruck bringt“ (Memmi, S. 165–166).<ref name="Memmi" /> „Der Begriff Rassismus passt genau für die biologische Bedeutung“ und solle daher künftig ausschließlich für den Rassismus im biologischen Sinne gebraucht werden. Zur Bezeichnung der allgemeinen Erscheinung schlug Memmi ursprünglich Ethnophobie vor, entschied sich jedoch 1982 für den Begriff Heterophobie, denn „damit ließen sich jene phobischen und aggressiven Konstellationen begrifflich fassen, die gegen andere gerichtet sind und mit unterschiedlichen – psychologischen, kulturellen, sozialen oder metaphysischen – Argumenten gerechtfertigt werden, und von denen der Rassismus im engeren Sinne lediglich eine Variante wäre“ (Memmi, S. 121–122).<ref name="Memmi" />

Mit «Rassismus» soll ausschließlich die Ablehnung des anderen unter Berufung auf rein biologische Unterschiede, mit «Heterophobie» soll die Ablehnung des anderen unter Berufung auf Unterschiede jedweder Art gemeint sein. Damit wird der Rassismus zu einem Sonderfall der Heterophobie“ (Memmi, Seite 124).<ref name="Memmi" /> Mit dem Begriff «Heterophobie» ließen sich nach Ansicht Memmis auch weitere terminologische Probleme lösen, weil er einerseits alle Spielarten einer „aggressiven Ablehnung des anderen“ erfasse und sich umgekehrt auch leicht in seine verschiedenen Formen ummünzen lasse. „Statt von Antisemitismus<ref>„ beschränkt sich weder auf die Biologie noch auf die Ökonomie, die Psychologie oder die Metaphysik; er ist eine vielseitig verwendbare Beschuldigung, die von allem Gebrauch macht, was sich anbietet, selbst von dem, was gar nicht greifbar ist, weil sie es je nach Bedarf erfindet“ (Memmi, S. 83).<ref name="Memmi" /> „Die Rassisten verabscheuen die Araber jetzt nicht mehr wegen ihrer sonnenverbrannten Haut oder ihrer levantinischen Gesichtszüge, sondern weil sie – «machen wir uns doch nichts vor» – einer lächerlichen Religion anhängen, ihre Frauen schlecht behandeln, grausam oder einfach rückständig sind“ (Memmi, S. 101).<ref name="Memmi" /> Die Benutzung des Unterschiedes sei zwar für die rassistische Argumentation unentbehrlich, „aber es ist nicht der Unterschied, der stets den Rassismus nach sich zieht, es ist vielmehr der Rassismus, der sich den Unterschied zunutze macht“. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Unterschied real sei oder reine Fiktion, für sich allein wichtig oder unbedeutend. „Wenn es keinen Unterschied gibt, dann wird er vom Rassisten erfunden; gibt es ihn hingegen, dann wird er von ihm zu seinem Vorteil interpretiert“ (Memmi, S. 167).<ref name="Memmi" />

Wertung

Das bloße Aufzeigen einer Verschiedenheit zwischen zwei Individuen oder Gruppen stellt, so Memmi, für sich allein genommen noch keinen Rassismus dar. „Der Rassismus liegt nicht in der Feststellung eines Unterschieds, sondern in dessen Verwendung gegen einen anderen“ (Memmi, S. 214).<ref name="Memmi" /> „Der Rassismus ist die Wertung Was als «neuer Rassismus» in den USA, Großbritannien und Frankreich bezeichnet wurde, ist eine Denkweise, die kulturelle Differenzen anstelle von genetischer Ausstattung verdinglicht und zu Wesensunterschieden erstarren lässt, die also mit anderen Worten Kultur zum funktionalen Äquivalent von Rasse macht“ (Fredrickson, S. 144).<ref name="Fredrickson" /> „Von der Existenz einer rassistischen Einstellung kann man sprechen, wenn Differenzen, die sonst als ethnokulturelle betrachtet werden, für angeboren, unauslöschlich und unveränderbar erklärt werden“ (Fredrickson, S. 13).<ref name="Fredrickson" />

Rassismus, so Fredrickson, „leugnet die Möglichkeit, dass die Rassisten und ihre Opfer in derselben Gesellschaft zusammenleben können, es sei denn auf der Grundlage von Herrschaft und Unterordnung“. In Anlehnung an Pierre-André Taguieff spricht er von Rassismen der Inklusion und solchen der Exklusion.<ref></ref>

Haut- und Haarfarben-Rassismus

Vincent Rosivach schrieb,<ref>Vincent J. Rosivach: Enslaving Barbaroi and the Athenian Ideology of Slavery, in: Historia 48(1999), 129-157.</ref> dass das (meist) rote und blonde Haar der Thraker und anderer Völker im Norden Griechenlands oft als Kennzeichen der minderwertigen Menschen galt. Thraker bildeten die erste ethnisch geschlossene Gruppe von Sklaven im Athen archaischer Zeit. Sie sind unter Solon angekauft worden. Menschen mit diesem Phänotyp traten in Athen fast ausschließlich als Sklaven auf. Entsprechende Assoziationen seitens der restlichen Bevölkerung waren die Folge. In Komödien wurden die Charaktere von Sklaven ausschließlich mit rotem Haar dargestellt. „Rot-“ bzw. „Blondschopf“ waren typische Sklavennamen.

Ein bekannteres Beispiel für solche ethnisch einheitliche „cattle slavery“ ist aus klassischer Zeit die Institution der skythischen Staatssklaven (Polizeiaufgaben).<ref>Vgl. Das Bild der Skythen bei Aristophanes – zum Beispiel in den „Thesmophoriazusen“ und in der „Lysistrata“, in der skythische Staatssklaven mehr an Weinschänken als an Polizeiaufgaben interessiert sind.</ref>

Gegen die Annahme der Existenz eines Hautfarbenrassismus in der Antike wendet sich seit den 1980er Jahren Frank M. Snowden, Jr.

Gender-Aspekte, Dichotome und graduelle Abwertung

Bei Platon gab es neben dieser dichotomen Sichtweise, die alles Unathenische als weibisch (bzw. weiblich), fremd, feige, verlogen, standpunktlos, primitiv oder dekadent abtat, einige „Argumentationshilfen“, die eine unterschiedliche Bewertung der verschiedenen Fremdvölker aus griechischer Sicht als damalige attische oder griechische communis opinio als Basis nahelegt. So setzt er in seiner „Politeia“ die drei Seelenteile in Beziehung zu den einzelnen Fremdvölkern zugewiesenen Charaktereigenschaften; ihm gelten Thraker und Skythen als kriegerisch, Phönizier und Ägypter als erwerbsstrebig.<ref>Plat. pol. 435e–436a: „Müssen wir nun nicht, begann ich, ganz notwendig zugeben, dass die nämlichen Arten und Sitten in jedem von uns sind wie im Staate? Denn anderswoher sind sie doch nicht dahin gekommen. Denn es wäre lächerlich, wenn jemand glauben würde, das Zornmütige rühre in den Staaten nicht von den Einzelnen her, denen man das ja nachsagt, wie z. B. denen in Thrakien und Skythien und so ziemlich denen in den nördlichen Gegenden, oder das Wissbegierige, was man ja am ehesten unseren Gegenden nachsagen könnte, oder das Geldbegierige, was man nicht zum mindesten an den Phöniziern und den Ägyptern entdecken könnte.“</ref> Sein Schüler Aristoteles nennt die gleichen Beispiele kriegerischer Völker.<ref>Aristot. pol. 1324b 10–20.</ref> Thraker und Skythen, die beiden Fremdvölker im Norden, werden also von beiden als kriegerisch benannt; als zum Herrschen bzw. zur besten Herrschaft geeignet nennen beide ausschließlich das eigene Volk.

Eine einfachere Differenzierung als Platon nimmt Aristoteles vor, wenn er ein Europa-Asien-Gefälle unter den nichtgriechischen Völkern postuliert, die kleinasiatischen seien „sklavischer“.<ref>Aristot. pol. 1285a 15–25.</ref> Nach Aristoteles seien diejenigen, die von Natur aus sklavisch seien, nicht eindeutig von der Natur durch körperliche Erscheinung und charakteristische Merkmale gekennzeichnet.<ref>Nippel, Wilfried: Griechen, Barbaren und „Wilde“. Alte Geschichte und Sozialanthropologie, Frankfurt am Main 1990, S. 37.</ref> Die servile Eigenart wird den Barbaren insbesondere deswegen von Aristoteles zugesprochen, da es ihnen an den politischen Strukturen mangele, die eine Gemeinschaft der Freien und Gleichen ermöglichen.<ref>Nippel 1990, S. 37.</ref>

Altertümliches Indien, China und Japan

In Asien gibt es ebenfalls weit zurückreichende Formen rassistischer Diskriminierung, die klassenbezogene und kulturbezogene Grundlagen hatten und ohne Rassenbegriff funktionierten. Die Chinesen entwickelten schon Jahrhunderte vor den Griechen kulturalistische Vorstellungen von Barbaren. Nachdem sie ursprünglich davon ausgingen, dass diese durch den Kontakt mit der chinesischen Kultur zivilisiert werden könnten, wurden sie schließlich mit Tieren verglichen, die kulturell grundsätzlich defizitär seien. Frank Dikötter hat darauf hingewiesen, dass es im Kaiserreich China eine lang währende eigene rassistische Tradition gab, ehe man dort mit dem europäischen Rassengedanken in Kontakt kam.

Das gilt auch für Indien, wo Kastenschema und Unberührbarkeit mit Hilfe von organischen Metaphern (Purusha) und Vermischungsverboten legitimiert wurden. Diese Biologisierung sozialer Unterschiede war durchaus nicht einzigartig. Sie wurde im Zuge der durch den europäischen Imperialismus importierten Rassentypologie und mit Hilfe des auf sie gestützten arischen Mythos einer völkischen Interpretation unterzogen, die behauptete, das Kastenschema wäre das Produkt hellhäutiger arischer Einwanderer, die die dunkelhäutige Urbevölkerung unterworfen hätten. Gail Omvedt schreibt dazu: „Punjabi Brahmans and Punjabi Untouchables were ethnically the same, and Tamil Brahmans and Tamil Untouchables were not racially different.“ (etwa: „Die Brahmanen des Pundschab und die Unberührbaren des Pundschab waren ethnisch identisch, und die tamilischen Brahmanen unterschieden sich in der Rasse nicht von den tamilischen Unberührbaren.“)

Sozial begründete Kastendifferenzen gab es auch in Japan. Die rassistische Diskriminierung der Buraku, einer mit niederen und als unrein geltenden Tätigkeiten beschäftigten Kaste, reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Neben diesem nach innen gerichteten Rassismus gab es auch die nach außen gerichtete rassistische Diskriminierung der Ainu. Sowohl auf die Buraku als auch auf die Ainu wurde später der von den Europäern entlehnte Rassenbegriff angewandt und so, wie Richard Siddle, Michael Weiner und andere gezeigt haben, deren auf Kastendenken und Kulturchauvinismus gestützte Diskriminierung rassisiert. In allen Fällen wird deutlich, dass Rassismus ohne Rassen funktioniert und im Kern kulturalistisch bestimmt ist.

Mittelalter

Der Proto-Rassismus des europäischen Mittelalters lässt sich an verschiedenen Indikatoren aufzeigen. Einmal ist es die Zeit eines umkämpften Bildes vom Afrikaner, zu dem Peter Martin Material zusammengetragen hat, das auf widersprüchliche Konzeptionen verweist, die zwischen Wolfram von Eschenbachs schöner, schwarzer Königin Belakane und den schwarzen, moslemischen Teufeln des Rolandsliedes schwanken. Später treten mit den judenfeindlichen Pogromen während des ersten Kreuzzuges und der großen Pest Ideologien und Praktiken der Ausgrenzung und Vernichtung zutage, die für Léon Poliakov und andere zur Geschichte des Antisemitismus und Rassismus gehören. Entgegenhalten ließe sich dem allerdings, dass die Ablehnung der Juden sich vornehmlich religiös artikulierte. (s. Antijudaismus)

Reconquista und Conquista

Das Jahr 1492 steht mit dem Fall von Granada, der Vertreibung der Mauren und Juden aus Spanien und der europäischen Entdeckung Amerikas für eine Vermengung und Überlagerung unterschiedlicher praktischer und ideologischer Formen rassistischer Diskriminierung.

Norman Roth und andere haben gezeigt, wie der Antisemitismus in der Politik der Blutsreinheit (limpieza de sangre) gegenüber den Juden seine moderne Form anzunehmen begann. Zielgruppe dieser Politik waren zum Christentum konvertierte Juden oder deren Nachkommen (Marranos), deren religiösem Bekenntnis weiterhin misstraut wurde. Ihnen gegenüber wurde mit der Frage nach der Blutsreinheit ihre Herkunft geltend gemacht und nach bis zu einem Sechzehntelanteil angeblich jüdischen Blutes gefahndet. Es galt sogar als gefährlich, christliche Kinder von Ammen aus konvertierten Familien stillen zu lassen, weil sich deren Milch angeblich schädlich auswirken könne.

Erste Begegnungen der Seefahrer aus Spanien 1492 mit dem indigenen Volk der Arawak verliefen friedlich, die Arawaken boten den Seefahrern laut dem Logbuch von Kolumbus unter anderem Baumwolle an, und die Seefahrer tauschten unter anderem Glasperlen ein.<ref name="The Voyage of Christopher Columbus" /> In seinem Logbuch betrachtete sie Christoph Kolumbus aber bereits zu diesem Zeitpunkt als zukünftige Untertanen oder gar als Sklaven.<ref name="The Voyage of Christopher Columbus">The Voyage of Christopher Columbus, Archive.org, siehe The Journal Saturday, 13 October.</ref> Die Eroberung Amerikas hatte mit der massenweisen Versklavung und dem Genozid<ref>Über seine erste Phase in Mittelamerika und Südamerika schreibt David E. Stannard: „By the time the sixteenth century had ended perhaps 200,000 Spaniards had moved their lives to the Indies, to Mexico, to Central America, and points further to the south. In contrast, by the time, somewhere between 60,000,000 and 80,000,000 natives from those lands were dead.“</ref> an den Indianern, der nach Jared Diamond jedoch vor allem durch eingeschleuste Seuchen erfolgte (das eigentliche Ziel war die vollständige Unterwerfung der Indianer, nicht die Auslöschung),<ref>Jared Diamond: Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften, (erweiterte Neuauflage) Frankfurt 2006, S. 233 u. S. 251–256.</ref> und der anschließenden Verschleppung afrikanischer Sklaven gleich zwei rassistische Dimensionen. In der Auseinandersetzung zwischen Bartolomé de Las Casas und Juan Gines de Sepulveda über die Frage, ob die indigene Bevölkerung des späteren Amerika Menschen seien und wie sie behandelt werden müssten, wurde einerseits nach wie vor auf den von Aristoteles geprägten Begriff des Barbaren zurückgegriffen. Andererseits begann sich aufgrund der Herausbildung einer vielfältig gemischten Gesellschaft ein an Hautfarben orientiertes Kastensystem zu entwickeln, das zahlreiche Blutskombinationen und Abschattierungen kannte. Imanuel Geiss hat eine der gängigen Unterteilungen dokumentiert:

„Aus Spanier und Indianerin entsteht Mestize. Aus Spanier und Mestizin entsteht Kastize. Aus Kastize und Spanierin entsteht Spanier. Aus Spanier und Negerin entsteht Mulatte. Aus Spanier und Mulattin entsteht Morisco. Aus Spanier und Morisca entsteht Albino. Aus Spanier und Albina entsteht Torna Atras. Aus Indianer und Negerin entsteht Lobo. Aus Indianer und Mestizin entsteht Coyote. Aus Lobo und Indianerin entsteht Chino. Aus Chino und Negerin entsteht Cambuxo. Aus Cambuxo und Indianerin entsteht Tente en el aire. Aus Tente en el aire und Mulattin entsteht Albarasado. Aus Albarasado und Indianerin entsteht Varsino. Aus Varsino und Cambuxa entsteht Campamulatte.“

Colin Tatz, Direktor des Centre for Comparative Genocide Studies in Sydney, erläutert in diesem Zusammenhang, dass der sogenannte Rassismus ohne Rassen kein neues, sondern ein altes, dem am Rassenbegriff orientierten Rassismus vorausgehendes Konzept ist. Den europäischen Völkermördern in Amerika stand der Rassenbegriff noch nicht zur Verfügung. Sie bedienten sich zur Legitimation ihres Vorgehens der überkommenen kulturalistischen Vorstellung von Barbaren als minderwertigen Menschen.

Neuzeit

Amerika

Datei:Racistcampaignposter1.jpg
Hetzplakat bei der Gouverneurswahl Pennsylvania, 1866

Im Zuge der Eroberung Amerikas kamen weitere rassistische Aspekte zum Ausdruck: als Eroberung mit ausgrenzenden Folgen für die Indianer, als transatlantische Sklaverei und als Machtkampf um die Teilhabe an einer postulierten weißen Vorherrschaft.

Sklaverei

Die transatlantische Sklaverei war ökonomisch ein Dreiecksverhältnis, in dem Billigwaren, Schnaps und Waffen aus Europa zumeist unter Einbezug afrikanischer und arabischer<ref>Gudrun Krämer: Geschichte des Islam, C. H. Beck Verlag, München 2005, hier: Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2005, S. 190.</ref> Sklavenhändler gegen Sklaven aus Afrika und diese gegen amerikanische Kolonialwaren eingetauscht wurden (siehe Atlantischer Sklavenhandel). Die Kolonisierung Amerikas vom 16. bis 19. Jahrhundert ging mit einer Massenversklavung von Afrikanern einher, die in allen Teilen des dünn besiedelten Doppelkontinents (Nord-, Mittel- und Südamerika) als billige Arbeitskräfte eingesetzt wurden: in britischen, niederländischen, französischen und spanischen Kolonien (später USA, Brasilien und die europäischen Kolonien in der Karibik). Auf dem nordamerikanischen Festland erlangte die Sklaverei besonders drastische Ausprägungsformen.

Sklaverei war auch bei den Indianern Nordamerikas eine Erscheinung, jedoch nicht in allgemeiner Verbreitung. Zunächst nutzten sie wie die Europäer zur Legitimation ihres Vorgehens überkommene Vorstellungen über die in Kriegen Unterlegenen, und die Gouverneure der Kolonien versuchten eine Aversion zwischen Indianern und Schwarzen zu schüren, um Kooperation oder Kollusion zu verhindern. Während z. B. die Seminolen entflohenen afroamerikanischen Sklaven Zuflucht gewährten (Schwarze Seminolen), führten etwa die Cherokee nach ihrer versuchten Anpassung an die Gesellschaft der europäischen Einwanderer (siehe Fünf Zivilisierte Stämme) ebenfalls die Sklaverei ein und betrieben sie in ähnlicher Härte wie die europäischen bzw. US-amerikanischen Sklavenbesitzer.<ref>Howard Zinn: A People’s History of the United States, Harper Perennial, 2005, S. 54–55 und 137, ISBN 0-06-083865-5.</ref><ref>J. W. Duncan: Interesting ante-bellum laws of the Cherokee, now Oklahoma history, in: Chronicles of Oklahoma, 6 (2), S. 178–180, 1928; J. B. Davis:, J. B. 1933. Slavery in the Cherokee nation, in: Chronicles of Oklahoma, 11 (4), 1933, S. 1056–1072.</ref><ref>FAQ on the Black Seminoles, John Horse, and Rebellion. www.johnhorse.com. Abgerufen am 24. Juni 2010.</ref>

Die transatlantische Sklaverei war ein System, das (wie Orlando Patterson formuliert hat) neben seinem ökonomischen Kalkül den „sozialen Tod“ der Sklaven bezweckte. Laut seiner Analyse liegt der Kern rassistischer Diskriminierung in der Zerstörung der sozialen und kulturellen Identität derer, die ihr unterworfen sind bzw. werden. Schätzungen über die Anzahl der Betroffenen schwanken zwischen elf Millionen und 15 Millionen. Die wichtigsten europäisch geprägten Betreiber dieser Politik waren im 18. Jahrhundert (laut Zahlen, die Albert Wirz wiedergab): „1. England mit einem Anteil von 41,3 %, 2. Portugal (29,3 %), 3. Frankreich (19,2 %), 4. Holland (5,7 %), 5. Brit. Nordamerika/USA (3,2 %), 6. Dänemark (1,2 %), 7. Schweden und Brandenburg (0,1 %).“

Datei:Lovejoyat1837AltonIllinoisRiot.JPG
Ausschreitungen von Sklavereibefürwortern in Alton (Illinois) 1837, bei denen der Abolitionist Elijah Parish Lovejoy ermordet wurde

Ab dem 17. Jahrhundert entwickelte sich der Besitz von Sklaven neben dem Landbesitz zu einem zentralen Statusmerkmal.<ref>William J. Cooper: Liberty and Slavery. Southern Politics to 1860, Univ of South Carolina Press, 2000, S. 8.</ref> Die Sklavenfrage entzweite in den USA zunehmend die Süd- von den Nordstaaten. In den Nordstaaten setzte die Industrialisierung ein und die Anzahl der Sklaven nahm langsam ab,<ref>So war 1810 noch immer ein Viertel (30.000) der schwarzen Bevölkerung im Norden Sklaven, 1840 gab es hier noch rund 1000 Sklaven; vgl. Howard Zinn: A People’s History of the United States, Harper Perennial, 2005, S. 88, ISBN 0-06-083865-5.</ref> während die Besitzer der riesigen Reis- und Baumwollplantagen in den Südstaaten weiterhin Sklaverei in wachsendem Ausmaß betrieben. In der viel beachteten Präambel zur Unabhängigkeitserklärung hatte Thomas Jefferson das Leben, die Freiheit und das Streben nach Glück zum unveräußerlichen Menschenrecht erklärt. Die Sklaverei geriet (obwohl sie dort nicht direkt angesprochen wurde) unter Rechtfertigungsdruck.<ref>Ira Berlin: Generations of Captivity: A History of African-American Slaves, Cambridge, London: The Belknap Press of Harvard University Press, 2003, ISBN 0-674-01061-2 ; S. 11, 103.</ref>

Anfangs wurde die Sklaverei überwiegend mit religiösen und philosophischen Erwägungen verteidigt; später verwendeten Befürworter überwiegend „wissenschaftliche“ Rechtfertigungen. Zum Beispiel wurden unterstellte biologische Unterschiede wie etwa eine andere Blutfarbe oder die angeblich kleineren Gehirne von Schwarzen als Beweis(e) für die Unterlegenheit der schwarzen „Rasse“ gewertet. Auch statistische und psychologische Argumente wurden verwendet, wie z.B. die Behauptung, dass Geisteskrankheiten unter Sklaven viel seltener sind als unter freien Schwarzen. „Drapetomanie“ (der Wunsch wegzulaufen) wurde als eine psychiatrische Diagnose erfunden.<ref>Junius P. Rodriguez (Hrsg.): Encyclopedia of slave resistance and rebellion. Greenwood Press, Westport 2007, ISBN 978-0-313-33271-5, S. 171.</ref> Solche Rassismen (wissenschaftlicher Rassismus), die angebliche Erkenntnisse aus den Natur- und Sozialwissenschaften heranziehen, um rassistische Praktiken zu begründen und zu rechtfertigen, nahmen nach der Abschaffung der Sklaverei noch deutlich zu.<ref>Norbert Finzsch: Wissenschaftlicher Rassismus in den Vereinigten Staaten – 1850 bis 1930. In: Heidrun Kaupen-Haas und Christian Saller (Hrsg.): Wissenschaftlicher Rassismus: Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften. Campus, Frankfurt a.M. 1999, ISBN 3-593-36228-7, S. 84 f.</ref>

Der Rassismus entwickelte sich unterschiedlich, die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei (siehe Abolitionismus) hatte in den Nordstaaten stärkeren Zulauf als in den Südstaaten. Auch nach der formalen Abschaffung der Sklaverei unter Abraham Lincoln existierten jedoch noch weiterhin Probleme des Rassismus, und noch bis ins 20. Jahrhundert wurde von einigen Historikern die These vertreten, dass die Sklaverei für Schwarze zu ihrer Zivilisierung nötig sei.

Weiße Vorherrschaft

Siehe auch: White Supremacy

Im 17. Jahrhundert war der Rassismus unter den weißen Bediensteten, die ähnliche Arbeiten verrichteten, in den Kolonien noch kaum ausgebreitet. Der Historiker Kenneth M. Stampp, Verfasser mehrerer Standardwerke zur Sklavereigeschichte, beurteilte die schwarzen und weißen Arbeiter allgemein als „bemerkenswert uninteressiert an den sichtbaren Unterschieden“.<ref name="whiteservants">Howard Zinn: A People’s History of the United States, Harper Perennial, 2005, S. 31 u. 37, ISBN 0-06-083865-5.</ref> Dies sorgte für Unbehagen bei den Besitzern, und es wurde als Gegenmaßnahme z. B. in Virginia 1691 ein Gesetz zum Verbot von Ehen zwischen Weißen und Schwarzen oder Indianern erlassen.<ref name="whiteservants" /> Teils halfen die weißen Arbeiter auch den schwarzen Sklaven bei Widerstandsaktionen. Ab dem 18. Jahrhundert nahmen mit dem Anwachsen der rasseneingeteilten Sklaverei und dem Einsetzen der weißen Arbeiter als deren bezahlte Aufseher der Rassismus zu und die Rebellionen von weißen Bediensteten ab.<ref>Cooper, William J, Liberty and Slavery: Southern Politics to 1860, Univ of South Carolina Press, 2000, S. 9, ISBN 978-1-57003-387-2.</ref>

Das System der White Supremacy nahm in Amerika unterschiedliche Formen an, die jeweils Weißsein als zentrale Norm der Teilhabe an politischen Rechten und sozialen Entfaltungsmöglichkeiten setzten.<ref>Vgl. Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland; Münster 2005 Rezension bei H-Soz-u-Kult</ref> In Brasilien schlug sie sich unter anderem in der Politik des branqueamento nieder, mit der die „weißen“ Brasilianer die „brasilianische Rasse“ verbessern und durch Zumischung von mit Hilfe von europäischen Einwanderern importierten „weißen Blutes“ das „schwarze Element“ in der brasilianischen Bevölkerung bis zum Jahre 2012 zum Verschwinden bringen wollten. Brasilien gilt auch als extremes Beispiel für die „soziale Konstruktion“ von Rasse, wo eine direkte Zuweisung von Hautfarbe und sozialem Erfolg (bis heute) der Fall ist und sich bei einer Person der soziale Aufstieg auch in der Einordnung in eine „weißere“ Farbklasse widerspiegelt.<ref>Was aufzeigt, dass Rasse keine feste Körpereigenschaft, sondern eine zugeschriebene soziale Qualität darstellt.</ref>

In den USA kam die White Supremacy nicht nur in der Politik der Rassentrennung zum Ausdruck, sondern äußerte sich auch als Verdacht ungenügender „Weißheit“ gegenüber verschiedenen europäischen Einwanderergruppen. Karen Brodkin hat für die Juden und Noel Ignatiev für die Iren beschrieben, wie diese in langwierigen und schmerzhaften Prozessen „weiß werden“ beziehungsweise Anteil an der lokalen Führungsschicht erlangen konnten. So wurde den irischstämmigen Amerikanern unterstellt, sie hätten ihre „Weiße“ in einem rassistischen Qualifikationsprozess, das heißt durch teilweise gewalttätige wie gehässige Absetzbewegungen von anderen Minderheiten überhaupt erst errungen.

Umgedreht hat der Anthropologe John Ogbu die umstrittene These vom „acting white“ (weiß agieren oder auch schauspielern) aufgestellt, nach der die schwarze Minderheit (ehemaliger Sklaven) in den USA Ogbu zufolge einen als kastenartig beschriebenen internen Zusammenhalt aufweise und dadurch Schwarzen selber den Aufstieg mitverwehre.

In Philadelphia wiederholte sich das Muster der Auseinandersetzungen zwischen aufstrebenden Minderheiten und etablierter Herrschaft mehrmals, so beim Wahlaufstand von 1742, zwischen den Quäkern und aufstrebenden Deutschamerikanern, dem Lombardstraßenaufstand von 1842, einer dreitägigen Straßenschlacht zwischen Vertretern der schwarzen und der irischen Gemeinde und den ähnlich gelagerten Philadelphia Nativist Riots 1844, die antikatholisch und antirisch ausgerichtet waren. Eine bis heute andauernde allgemeine Weigerung der schwarzen Community, mit den irischstämmig dominierten Sicherheitsbehörden zu kooperieren, gilt mit als lokaler Hintergrund des erbittert ausgetragenen und international Aufsehen erregenden Streits um Schuld oder Unschuld von Mumia Abu-Jamal, der wegen Mordes an dem irischstämmigen Polizisten Daniel Faulkner zum Tode verurteilt worden war.<ref>14. September 2007 – Black men urged to help Philadelphia police to reduce crime Aufruf an die schwarzen Männer, Verbrechen in Philadelphia zu verringern.</ref>

Abgrenzung und erfolgreiche Assimilation bei den schottischen Indianern

Ein spezifisches Phänomen von Abgrenzung und erfolgreicher Assimilation hingegen beschreibt James Hunter anhand schottischer Einwanderer in Nordamerika. Indem vor allem männliche Trapper und Fallensteller in indianische Dynastien einheirateten, wurden sie schnell und problemlos zu Indianern. Dies führte dazu, dass etwa bei den Nez Percé schottische Nachnamen verbreitet sind und die Träger mit großem Stolz ihre Vorfahren in männlicher Linie teilweise bis in das Jahr 1000 in Schottland zurückverfolgen können. Diese „schottischen Indianer“ suchten und fanden bei einzelnen indianischen Stämmen auch Strukturen vor, die denen ihres Herkunftslandes ähnelten, und überwanden so für Engländer und andere Europäer als unüberwindbar angesehene Barrieren.<ref>James Hunter: A Dance Called America: Scottish Highlands, the United States and Canada, ISBN 978-1-84018-001-5.</ref> Dies stieß seitens der Engländer in der Neuen Welt auf erhebliche, auch rassistische Vorbehalte, in dem Sinne wurden ursprünglich kolonial geprägte Konflikte und Strukturen aus dem britischen Binnenverhältnis in die USA übertragen.

Imperialismus

Im Zeitalter des Imperialismus ließ Leopold von Belgien eine Schreckensherrschaft (Kongogräuel) im Kongo errichten. In Australien führte der Rassismus der Arbeiterbewegung zur exklusiven „weißen“ Staatsgründung unter dem Motto „White Australia“. In Ostasien fiel das europäische Vorbild auf fruchtbaren Boden und ließ Japan sich als Hoffnung der nichtweißen Rassen präsentieren. in den USA wurde die Ideologie des „manifest destiny“ auf imperiale Politik übertragen und als Zivilisationsmission ausgegeben.

Die britische Herrschaft in Indien ist insoweit differenziert zu sehen, als die lokalen Herrschaftsformen lange beibehalten wurden. Vom 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts war es nicht weiter auffällig, wenn britische Soldaten und Angestellte der Ostindienkompagnie sich mit indischen Frauen verheirateten. Die gemeinsamen Kinder und die so etablierten Gemeinden wurden damals Eurasier genannt. Erst mit dem stärkeren Nachwandern von britischen und europäischen Frauen und nach dem Sepoyaufstand wurden die Angloinder von Briten wie Indern stärker separiert und gemieden und spielen bis in die Gegenwart als Anglo-Indian eine besondere Rolle.

Yamato-Rasse in Japan

Die Modernisierung der Meiji-Zeit führte in Japan auch zur Entwicklung imperialistischer Ambitionen, die unter anderem im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg und im Russisch-Japanischen Krieg umgesetzt wurden. Unter der Parole „Asien den Asiaten!“ bediente man sich dabei einerseits einer ideologischen Umkehrung des europäisch-amerikanischen Stereotyps von der „Gelben Gefahr“ und warnte die asiatische Staatengemeinschaft vor der „weißen Gefahr“. Andererseits wurde die eigene aggressive und expansionistische Kolonialpolitik mit rassistischem Paternalismus legitimiert. Danach sollte sich die asiatische Bevölkerung aus den „fünf Rassen“ der Japaner, Chinesen, Koreaner, Mandschu und Mongolen zusammensetzen, von denen die japanische „Yamato-Rasse“ am weitesten entwickelt und am fortschrittlichsten und deswegen berufen wäre, die anderen zu erleuchten, kulturell und moralisch zu vervollkommnen und vor allem zu führen. Bis heute werden – so Jared Diamond – in Japan Untersuchungen, nach denen mit gewisser Wahrscheinlichkeit die Japaner selber hauptsächlich von koreanischen Einwanderern abstammen, nicht ohne Widerstände zur Kenntnis genommen.

Als der von Japan bei den Friedensverhandlungen von Versailles eingebrachte Vorschlag einer Erklärung zur Gleichberechtigung der Rassen trotz mehrheitlicher Zustimmung zurückgewiesen wurde, verstärkte dieses seine imperialistischen Anstrengungen im pazifischen Raum.<ref> Karl Acham: Historismus – Multikuralismus – Kommunitarismus. In: Gunter Scholtz (Hrsg.): Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts. Eine internationale Diskussion. Akademie Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-05-00-2848-3, S. 159 (Digitalisat bei Google Books).</ref> Die sich zuspitzenden Widersprüche zwischen den japanischen und den Ambitionen Englands und der USA führten schließlich zu der als „Rassenkrieg“ geführten militärischen Auseinandersetzung, die John Dower, Gerald Horne und andere beschrieben haben.

Historisch gesehen gab es in Japan stets eine Diskriminierung der Buraku. Noch heute werden viele Menschen der Minderheit der Buraku in Japan diskriminiert. Obwohl sie sich weder in Religion, Sitten noch im Aussehen merklich von anderen Japanern unterscheiden, galten sie als eigene Rasse. Sie wurden teilweise sogar als Hinin (非人, „Nicht-Menschen“) bezeichnet. Sie mussten in bestimmten Ortschaften leben, ihre Kinder durften keine normalen Schulen besuchen und sie durften nur als unrein betrachtete Berufe wie den des Totengräbers ausüben. Im Jahre 1871 wurden die Buraku den anderen Japanern rechtlich gleichgestellt. Noch heute haben die Buraku mit Diskriminierung zu kämpfen. Da auch der Familienname Auskunft über die Herkunft geben kann, ist es den Nachfahren der Burakumin seit einigen Jahren erlaubt, ihren Namen zu ändern.

Osmanisches Reich

Von 1915 bis 1917 wurden die seit Jahrtausenden in Ost-Anatolien siedelnden Armenier im Osmanischen Reich Opfer eines Genozids.

Deutschland

Deutscher Bund (1815–1870)

Ansätze rassistischer Theoriebildung gab es in Deutschland bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts u. a. bei Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn.<ref>Niels Hegewisch, Reinheit in Vielfalt. Ansätze rassistischer Theoriebildung in der Publizistik des frühen deutschen Nationalismus, in: Birgit Aschmann, Thomas Stamm-Kuhlmann (Hgg.), 1813 im europäischen Kontext, Stuttgart 2015, S. 79-98.</ref>

Kaiserreich (1871–1918)

Im Zuge der Reichsgründung 1871 wurde das preußische Staatsbürgerrecht, das die Emanzipation der Juden seit 1812 enthielt, für das ganze Reichsgebiet übernommen.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-Format„Liberale Stichtage: Vor 200 Jahren: Gleichstellung der Juden in Preußen“. In: Friedrich Naumann Stiftung. 11. März 2012, abgerufen am 16. August 2014.</ref>

Datei:Map of the German Empire.PNG
Lage ehemaliger deutscher Kolonien
Ab 1884 beteiligte sich Deutschland mit dem Erwerb der deutschen Kolonien und Schutzgebiete am Imperialismus und Kolonialismus. Auch in Deutschland berief man sich auf die angebliche Überlegenheit der Nordeuropäer.

Das wirtschaftlich und militärisch erstarkte Deutschland widmete sich zunehmend der Weltpolitik. Unter dem Einfluss der um die Jahrhundertwende aufkommenden Alldeutschen Bewegung und Völkischen Bewegung erstarkte der Antisemitismus und Antislawismus. Die Idee vom Lebensraum im Osten zu lasten „minderwertiger“ Völker wurde geboren.

Seit den Teilungen Polens lebten im deutschen Kaiserreich auch zahlreiche Polen. Ab 1880 betrieb das Deutsche Reich im geteilten Polen eine verschärfte Germanisierungspolitik durch die Schaffung der "Preußischen Ansiedlungskommission" sollten laut Bismarck deutsche Neuansiedler einen „lebendigen Wall gegen die slawische Flut“ bilden.<ref>Hans-Ulrich Wehler : Deutsche Gesellschaftsgeschichte 3.Bd 1849-1914. Bd. Von der „Deutschen Doppelrevolution …“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. ISBN 978-3-406-32263-1, S. 964.</ref> Im Laufe der Industrialisierung setzten die ostelbischen Großgrundbesitzer viele polnische Arbeiter ein, die als minderwertige Slawen angesehen und diskriminiert wurden.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-Format„Industrialisierung bis zum ersten Weltkrieg“. In: Das Bundesarchiv. 2010, abgerufen am 17. August 2014.</ref> Die im Bergbau tätigen Ruhrpolen galten als „Lohndrücker und Einschlepper von Krankheiten“ und unterlagen kommunalen Polenüberwachungsstellen.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-Format„Fremde, Fremdsein – von der Normalität eines scheinbaren Problemzustandes“. In: Informationen zur politischen Bildung Heft 271. 13. Januar 2006, abgerufen am 17. August 2014.</ref>

1899 wurde die „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“, kurz „Zigeunerzentrale“, in München zur polizeilichen Erfassung von „Zigeunern“ und „nach Zigeunerart umherziehenden Personen“ gegründet. Diese Personengruppe wurde systematisch diskriminiert und durch Sondergesetze kriminalisiert. Alle Zigeuner wurden unabhängig von Straftaten sukzessive erkennungsdienstlich erfasst.

Hauptartikel: Zigeunerzentrale

1900 kam es in China zum Boxeraufstand gegen die Kolonialmächte. Diese schlugen den Aufstand unter deutscher Beteiligung in einer brutalen Art der Kriegsführung auch gegen die Zivilbevölkerung nieder. Die „Strafexpeditionen“, welche das deutsche Expeditionskorps ab September 1900 durchführte, waren in besonderer Weise von einem rassistischen Rachegedanken geleitet.

Hauptartikel: Boxeraufstand

Kaiser Wilhelm II. hatte den deutschen Soldaten auf den Weg gegeben, sie mögen den Namen Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden lassen, „dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen“. Diese sogenannte „Hunnenrede“ wird rückblickend als brutaler Ausdruck „eines sozialdarwinistisch aufgeladenen Gesinnungsmilitarismus“ rezipiert. Der Sinologe Klaus Mühlhahn entdeckte in Wilhelms Rede zahlreiche religiöse Ausdrücke, die ihn veranlassten, den Boxerkrieg vor allem als einen Glaubenskrieg zu deuten.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-Format„Boxeraufstand: "Pardon wird nicht gegeben"“. In: Tagesspiegel. 7. August 2000, abgerufen am 12. August 2014.</ref>

Hauptartikel: Hunnenrede
Datei:Symp 300 swakop kz schaedel.jpg
Beamte verpacken Schädel von Herero in Kisten für den Transport nach Berlin
Der Aufstand der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika führte 1904 zum Völkermord an den Herero und Nama.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-Format„Aufräumen, aufhängen, niederknallen“. In: Spiegel. 8. August 2014, abgerufen am 11. August 2014.</ref> Im Konzentrationslager Shark Island (Haifischinsel) wurden vereinzelt medizinische Menschenversuche an Häftlingen durchgeführt. Leichenpräparate von Gefangenen wurden auch zur Rassenforschung nach Deutschland gesandt.<ref>Casper Erichsen, David Olusoga : The Kaiser`s Holocaust: Germany`s Forgotten Genocid and the Colonial Roots of Nazism, ISBN 978-0-571-23141-6, S. 223ff</ref><ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-FormatJohanna Schmeller: „Düsteres Kolonial-Erbe in Namibia“. In: Deutsche Welle. 23. März 2012, abgerufen am 29. Juli 2014.</ref> Die deutsche Literatur der Zeit schwelgte in rassistischen Phantasien und forderte kurzen Prozess mit der „schwarzen Masse“.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-FormatMarkus Mähner: „Der Herero-Aufstand bricht aus“. In: Bayern2. 12. Januar 2011, abgerufen am 29. Juli 2014.</ref>

Ab 1905 erfolgte in den Kolonien ein Verbot der „standesamtlichen Eheschließung zwischen Weißen und Eingeborenen“ und außereheliche Sexualbeziehungen wurden von der Gesellschaft geächtet, um die "Verkafferung" zu unterbinden. 1912 kam es zur Mischehendebatte im deutschen Reichstag.<ref>Birthe Kundrus: Moderne Imperialisten: Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien Böhlau Verlag, Köln 20030, ISBN 3-412-18702-X, S. 219 ff.</ref> Die Verbote bestanden bis zum Verlust der Kolonien im Ersten Weltkrieg weiter.

Während des Ersten Weltkrieges kämpften hunderttausende Afrikaner, Inder und Angehörige anderer Nationen im Dienste ihrer Kolonialmächte England (z.B. Gurkha) und Frankreich (z.B. Tirailleurs sénégalais) auf dem westeuropäischen Kriegsschauplatz. In der deutschen Presse wurden in den Kriegsjahren von 1914 bis 18 diese afrikanischen und asiatischen Soldaten als besonders bestialische und lüsterne Kämpfer dargesellt.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-FormatMarc von Lüpke-Schwarz: "Hunnen" gegen "Wilde". In: Deutsche Welle. 1. August 2014, abgerufen am 2. August 2014.</ref>

Wegen des wachsenden Antisemitismus im Offizierskorps verbunden mit dem Vorwurf des Drückebergertums an die Juden wurde 1916 die Judenzählung im Deutschen Heer angeordnet.

Hauptartikel: Judenzählung

Weimarer Republik (1918–1933)

Datei:1920 poster 12000 Jewish soldiers KIA for the fatherland.jpg
1920 vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten auf die Anschuldigungen fehlenden Patriotismus herausgegebener Handzettel.

In der Weimarer Republik – wie auch in Österreich – wurden die Juden im Rahmen der Dolchstoßlegende als hinterhältige Kriegsgewinnler dargestellt und es wurden jüdische Kriegsgräber geschändet. Als Gegenreaktion wurde der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten gegründet. Rechtsradikale und völkische Gruppen riefen offen zum Mord an exponierten jüdischen Politikern wie z. B. dem Außenminister Walter Rathenau auf und es kam zu zahlreichen Gewalttaten.

Hauptartikel: Dolchstoßlegende

1920 verkündete die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ihr 25-Punkte-Programm, das in den Punkten 4 bis 8 antisemitisch geprägt war. Die Deutsche Burschenschaft als Dachverband der deutschen und österreichischen Burschenschaften beschloss in Eisenach, den Rassestandpunkt einzuführen, so dass nur noch deutsche Studenten arischer Abstammung aufgenommen werden sollten.<ref>Peter Kaupp: Burschenschaft und Antisemitismus. (PDF-Datei; 126 kB) S. 2.</ref>

Von 1923 bis 1945 gab Julius Streicher die antisemitische Wochenzeitung "Der Stürmer" heraus. Ziel und Inhalt war die Diffamierung der Juden in Hetzartikeln.<ref>Historisches Lexikon Bayerns: Der Stürmer. Deutsches Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit, abgerufen am 11. August 2014.</ref>

Die Agitation gegen die Besetzung des Rheinlandes war nicht nur in den Kampfblättern der extrem rechten Parteien bzw. politischen Gruppierungen von „rassistischer Begleitmusik“ durchzogen. Anlass boten hier besonders die teilweise aus Afrika stammenden französischen Besatzungstruppen. Die in dieser Zeitspanne geborenen Kinder einiger schwarzer Soldaten und deutscher Frauen wurden als Schwarze Schmach und zum Teil als „Gefahr für die deutsche Rassenreinheit“ instrumentalisiert. Die betroffenen Kinder wurden als sogenannte „Rheinlandbastarde“ später von den NS-Behörden erfasst und illegal zwangssterilisiert.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-Format„Rassismus: Gänzlich schmerzlos“. In: Spiegel. 1. Oktober 1979, abgerufen am 18. September 2014.</ref>

Hauptartikel: Rheinlandbastard

Die neuen Musikrichtungen wie Swing und Jazz wurden von vielen Menschen speziell aus der völkischen Bewegung als undeutsch und "Negermusik" angesehen und es kam zu häufigen Störungen von Musikveranstaltungen wie der Oper Jonny spielt auf. 1930 veröffentlichte der thüringische Volksbildungs- und Innenminister, der Nationalsozialist Wilhelm Frick, einen Erlass wider die Negerkultur für deutsches Volkstum.<ref>Heribert Schröder: Zur Kontinuität nationalsozialistischer Maßnahmen gegen Jazz und Swing in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Bad Honnef 1988, S. 176.</ref>

Nationalsozialismus (1933–1945)

Belege Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst entfernt. Bitte hilf der Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Näheres ist eventuell auf der Diskussionsseite oder in der Versionsgeschichte angegeben. Bitte entferne zuletzt diese Warnmarkierung.
Datei:Straba KA um1940.jpg
Antijüdisches Verbotsschild aus Karlsruhe, um 1940

Rassismus war ein Teil der Ideologie des Nationalsozialismus. Nach der sogenannten „Rassenkunde“ postulierte die NS-Forschung die Existenz höherwertiger und minderwertiger Menschenrassen. Danach ließe sich die gesamte Menschheit in drei Rassengruppen einteilen:

  • kulturstiftende Rassen (die nordisch-arische Rasse), die sogenannte Herrenrasse
  • kulturtragende Rassen (beispielsweise asiatische und afrikanische Rassen)
  • kulturzersetzende Rassen (semitische Rasse)

Juden, Sinti und Roma wurden der semitischen Rasse zugerechnet (vgl. hierzu Nürnberger Rassengesetze). Hochwertige Menschen konnten dabei nur aus der ersten Gruppe stammen. Die Mitglieder jeder Rasse hätten die Aufgabe, diese Rasse „rein zu halten“, weshalb sexueller Kontakt zwischen Angehörigen der „hohen“ und der „minderwertigen“ Rasse (Rassenschande) verhindert werden sollte. Bestimmten, von den Nationalsozialisten als „Rasse“ definierten Gruppen wie Juden oder Zigeunern (Gruppe 3) unterstellten sie, dass diese „die Herrenrasse (Gruppe 1) zersetzen“ wollten und daher zum Schutze der „Volksgemeinschaft“ vernichtet werden müssten. Auch die Slawen galten als „Untermenschen“.

Datei:Bundesarchiv Bild 102-16748, Ausstellung "Wunder des Lebens".jpg
Ein „Informationsplakat“ aus der Ausstellung Wunder des Lebens 1935 in Berlin

Die theoretischen, pseudo-wissenschaftlichen und pseudo-juristischen Grundlagen lieferten neben Adolf Hitler selbst (Mein Kampf) primär die NS-Ideologen Alfred Rosenberg und Hans F. K. Günther, der Justizminister Otto Georg Thierack, der Präsident am Volksgerichtshof und Richter Roland Freisler und einige weitere, in zahlreichen Publikationen. Allerdings ist dabei zu bemerken, dass ihre Gedanken wohl zumeist auf älteren rassistischen Theorien aufbauten und der Rassismus bis 1933 in ganz Europa relativ stark verbreitet war. Neu war am NS-Rassismus, dass die Wissenschaftsfreiheit unter politischen Vorbehalt gestellt wurde.<ref>So etwa beim Entzug der Lehrerlaubnis des Anthropologen Karl Saller im Frühjahr 1935. Siehe: Frank Thieme: Rassentheorien zwischen Mythos und Tabu. Der Beitrag der Sozialwissenschaft zur Entstehung und Wirkung der Rassenideologie in Deutschland. Lang, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-631-40682-7, S. 144.</ref> Unter den zahlreichen Rassetheoretikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hatten der Franzose Arthur de Gobineau (1816–1882) und der Brite Houston Stewart Chamberlain (1855–1927) den stärksten Einfluss auf die nationalsozialistische Rassenideologie. Hitler, der Chamberlain 1923 traf, galt als großer Bewunderer seines Werks.

Die Opfer des NS-Rassismus wurden in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, zwangssterilisiert, deportiert und ermordet. Die gesamte Gesundheitsvorsorge, Sozialpolitik sowie die Bevölkerungspolitik wurden unter „rassischen“ Gesichtspunkten gleichgeschaltet, die auch die Zulässigkeit von Eheschließungen bestimmten. Zu diesem Programm gehörten auch Ahnenpässe. Der aufgrund dieser Ahnenpässe zu führende Ariernachweis bzw. der „Große Ariernachweis“ war Bedingung für eine Karriere bei der SS. NS-Stellen verwendeten Eintragungen zu Geburten in alten Kirchenbüchern (mit ihnen ließen sich Stammbäume verifizieren); die Pfarrämter von Kirchengemeinden lieferten ihnen diese Informationen.

Bundesrepublik Deutschland (seit 1945)

1946 erfolgte die Restauration der Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens als „Landfahrerstelle“ im bayerischen Landeskriminalamt. Die Landfahrerstelle wurde 1970 wegen Grundgesetzwidrigkeit aufgelöst.

1950 wurde die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention) des Europarates beschlossen. Die Vertragsstaaten vereinbarten ein Diskriminierungsverbot nach Rasse, Hautfarbe, Sprache und Religion (Artikel 14<ref>Artikel 14</ref> und 12. Protokoll).

Die Bundesrepublik trat dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD) einem Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen bei, das 1969 in Kraft trat. Es richtet sich gegen jede rassistische Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationaler und ethnischer Herkunft.

In den 1990er Jahren kam es in der Bundesrepublik Deutschland, vermehrt in den Neuen Bundesländern, zu rassistisch motivierten Pogromen und Anschlägen. Die aufsehenerregendsten waren der Brandanschlag von Mölln, der Brandanschlag von Solingen, die Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen, die Ausschreitungen von Hoyerswerda, die Hetzjagd in Guben, der Mordanschlag auf Amadeu Antonio Kiowa und die Magdeburger Himmelfahrtskrawalle. Viele dieser Ausschreitungen und Morde wurden von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen verübt, die der sogenannten Neonaziszene zuzurechnen sind. Auch Sachbeschädigungen, die sich zum Beispiel gegen jüdische Friedhöfe richten oder als rassistische Graffiti sichtbar werden, waren keine Ausnahme.<ref>„Wehrhafte Demokratie oder ‚Gesinnungsterror‘ ?“ auf der Seite der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung (Memento vom 30. Mai 2008 im Internet Archive)</ref>

Vorfälle mit rassistischem Hintergrund waren zuvor in West-Deutschland nur vereinzelt öffentlich wahrgenommen worden, wie zum Beispiel die 1981 erfolgte Selbsttötung des elfjährigen Tadesse Söhl, über dessen Beweggründe es erst infolge literarischer und filmischer Verarbeitung in den 1990er Jahren zur öffentlichen Diskussion kam.

Laut einem Bericht der Bundeszentrale für Politische Bildung über rassistische Vorurteile, geschrieben von Werner Bergmann, gab es von 1990 bis 2003 mehr als 100 Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland. Im Bericht wird erwähnt, dass in der Vergangenheit der Europarat und die Vereinten Nationen mehrmals Kritik am Vorgehen der deutschen Polizei gegenüber Ausländern geübt hätten. Einem Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) von 2003 zufolge sind „Schwarze“ als eine „äußerlich erkennbare Minderheit“ in Deutschland besonders von Rassismus betroffen.<ref>Rassistische Vorurteile Bundeszentrale für politische Bildung</ref> Das Bundesamt für Verfassungsschutz zählt in seinem Bericht über das Jahr 2005 insgesamt 355 Straftaten mit fremdenfeindlichen und 49 Straftaten mit antisemitischen Motiven auf.<ref>bundesregierung.de Verfassungsschutzbericht 2005 (Memento vom 26. September 2007 im Internet Archive)</ref>

In den Jahren 2000 bis 2006 wurden vermutlich durch den rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zahlreiche völkisch-rassistisch motivierte Morde und Bombenanschläge begangen.<ref>Bundesanwalt verliest Anklage gegen Beate Zschäpe, Tagesspiegel vom 14. Mai 2013</ref> Die einhergehenden zahlreichen Ermittlungspannen, versuchte eine Reihe parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zu klären.

Hauptartikel: NSU-Morde und NSU-Untersuchungsausschuss
Datei:Thilo Sarrazin030709.jpg
Thilo Sarrazin im Juli 2009
Anhand der von Thilo Sarrazin mit abwertenden Aussagen zu Türken und Arabern in den Jahren 2009 (Interview in Lettre International) und 2010 ("Deutschland schafft sich ab") ausgelösten und teilweise rassistisch geführten Migrationsdebatte zeigten die ICERD-Rüge der Vereinten Nationen und der 5.ECRI-Prüfbericht des Europarates den mangelhaften Schutz vor Diskriminierung und Hassreden in Deutschland auf. Die Bundesregierung versprach eine Untersuchung.<ref>Rassismus-Vorwürfe: UN rügen Deutschland wegen Sarrazin, Tagesspiegel vom 18. April 2013</ref><ref>Fremden- und Schwulenfeindlichkeit: Anti-Rassismus-Kommission rügt Deutschland , Süddeutsche vom 25. Februar 2014</ref>

Österreich

Datei:03741Vienna1938.jpg
Juden müssen Gehsteige putzen, Wien, März 1938

Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs kam es in den Wochen nach dem 12. März 1938 zu pogromartigen Ausschreitungen gegen Juden und deren Eigentum. Mit Unterstützung der NSBO und nationalsozialistischer Mittelstandsorganisationen setzte ein regelrechter Arisierungswettlauf ein. Tausende von österreichischen Nationalsozialisten und deren Mitläufer nisteten sich im rechtsfreien Raum als kommissarische Verwalter in jüdischen Geschäften und Betrieben ein und konfiszierten gegen unleserliche Quittungen eigenmächtig Vermögen jüdischer Bürger.<ref>Wolf-Arno Kropat: Reichskristallnacht, Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, Wiesbaden 1997, ISBN 3-921434-18-1, S. 29 ff.</ref>

Allgemeine gegenwärtige Erscheinungen

Datei:Rassistische-schmiererei.jpg
Rassistische Schmiererei an einer Häuserwand

In den deutschsprachigen Ländern wird oftmals bis zum heutigen Zeitpunkt angenommen, dass Rassismus in erster Linie in Form von Xenophobie (von griech.: xenos fremd, Gast/phóbos Furcht) vorhanden ist. Zwischen Rassismus und Xenophobie besteht eine Verwandtschaft, allerdings sind Rassismus und Xenophobie nicht einfach gleichzusetzen. Im rassistischen deutschen Nationalsozialismus wurden einheimische „Nichtarier“ (Juden) viel schlechter behandelt als ausländische „Arier“ (beispielsweise Skandinavier und andere Nord- und Westeuropäer). Von der Xenophobie nimmt man dagegen an, dass sie keine Rassenbegriffe kennt, sondern eher einen Ethnopluralismus befördert. Man nimmt auch an, dass rassistisch denkenden Menschen häufig nicht bewusst ist, dass sie rassistisch denken, was gleichzeitig impliziert, dass sie ihre Wahrnehmungen nicht mit dem Begriff „Rasse“ verbinden. Der Begriff der Xenophobie (Furcht vor dem Fremden) wird daher oftmals auch benutzt, um das eigentliche Problem Rassismus nicht offen ansprechen zu müssen.

Diese generelle Annahme wird unterstützt durch Untersuchungen in der Schweiz, wo aufgrund einer Studie der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus anzunehmen ist, dass Rassismus im engeren Sinne in der Schweiz sehr viel weiter verbreitet ist als ursprünglich angenommen.<ref>Vgl. Carmel Fröhlicher-Stines/Kelechi Monika Mennel: Schwarze Menschen in der Schweiz. Ein Leben zwischen Integration und Diskriminierung; Bern 2004.</ref> So sind Schwarze trotz Assimilierung, Integration und Einbürgerung auch nach Jahrzehnten gesellschaftlich marginalisiert und werden, teilweise sogar unter eindeutiger Nennung der Hautfarbe als abwertenden Faktor, bei Bewerbungen zurückgewiesen.

So wird in der Rassismusforschung vermehrt darauf hingewiesen, dass Rassismus kein individuelles Problem sei, sondern dass rassistisches Wissen von gesellschaftlichen Diskursen bestimmt werde. Nach Arndt ist Rassismus „an gesellschaftliche Gegebenheiten geknüpft, die sehr widerstandsfähig und resistent, vielleicht sogar irreparabel sind.“ Das bedeutet, dass Rassismus „(k)ein individuelles Problem“ ist und deshalb „auch nicht individuell bewältigbar“ ist. Dazu gehöre es auch, „sich bewusst zu machen, dass durch die Omnipräsenz des Rassismus in Vergangenheit und Gegenwart sozialpolitische Identitäten gewachsen sind – dass das Herzstück des Rassismus die Konstruktion und Hierarchisierung von Schwarzen und Weißen ist.“ Arndt beschreibt die gesellschaftlichen Aspekte dieser Konstruktionen: „In der vom Rassismus geprägten Sozialisation wurden diese Konstrukte vermittelt und globalen Macht- und Herrschaftsverhältnissen zugrunde gelegt. Eine Realität soziopolitischer Identitäten wurde geschaffen. Wir werden nicht als Schwarze oder Weiße geboren, sondern zu diesen gemacht. Dies macht es erforderlich, Schwarze und Weiße Erfahrungen und Perspektiven wahrzunehmen und zu repräsentieren. Wo dies ignoriert wird, kann Rassismus nicht überwunden werden.“<ref>Arndt: Rassismus in Gesellschaft und Sprache. In: Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Unrast Verlag, Münster 2001, ISBN 3-89771-407-8, S. 23.</ref>

Seit den 1990er Jahren findet auch ein Perspektivwechsel in der Wissenschaft statt. So sind – wie in der Kritischen Weißseinsforschung – nicht vorrangig die Objekte des Rassismus der Gegenstand der Forschung, sondern die Strukturen, die Rassismus ermöglichen.<ref>Vgl. Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster 2005.</ref>

Der Sonderberater der Vereinten Nation für die Verhinderung von Genoziden teilte Anfang 2013 mit, dass weltweit die Gefahr von religiös und ethnisch motivierter Gewalt möglicherweise höher sei als jemals zuvor, und nannte Spannungen in der Demokratischen Republik Kongo, dem Irak, Kirgisistan, Mali, Myanmar, Pakistan, Sudan, und in Syrien als Beispiele.<ref>Pressemitteilung der UN: With ethnic tensions rising worldwide, UN adviser urges action to prevent mass atrocities vom 28. Februar 2013, gesichtet am 4. März 2013</ref>

Ursachen rassistischen Denkens

Über die Ursachen rassistischen Denkens gibt es schon immer verschiedene Vorstellungen. Nach rationalistisch orientierten Theorien bildete sich der klassische Rassismus im 18. Jahrhundert heraus. Führende Theoretiker der westlichen Welt (wie Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel) versuchten damals, die rassischen Unterschiede wissenschaftlich zu erklären. Sie nahmen an, dass die menschlichen Rassen nicht nur biologische (vorwiegend körperliche) Unterschiede aufweisen, sondern auch feststehende und unveränderbare Merkmale hinsichtlich ihrer Mentalität und ihres Charakters. Später schien die moderne Biologie und Genetik im Gefolge von Charles Darwin dazu Anhaltspunkte zu liefern. Andere Vertreter der Aufklärung, wie Johann Gottfried Herder, distanzierten sich dagegen klar von der Einteilung der Menschen in Rassen.<ref>Karin Priester: Rassismus – Eine Sozialgeschichte, Reclam, Leipzig, 2003, ISBN 3-379-20076-X, S. 85.</ref> Herder schrieb:

Ich sehe keine Ursache dieser Benennung. Rasse leitet auf eine Verschiedenheit der Abstammung, die hier entweder gar nicht stattfindet, oder in jedem dieser Weltstriche unter jeder dieser Farben die verschiedensten Rassen begreift. […] Kurz, weder vier oder fünf Rassen, noch ausschließende Varietäten gibt es auf der Erde.<ref>Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Deutscher Klassiker Verlag, 1989, ISBN 3-618-60760-1, Ideen II 7,1, S. 255 und 256.</ref>

Nach 1945 trat offener Rassismus in der Wissenschaft zurück.

Psychologisch orientierte Theorien sehen die Ursachen rassistischen Denkens vor allem in psychisch begründeten Abgrenzungstendenzen zwischen der eigenen Gruppe und Fremdgruppen, die der Stärkung des Identitäts- und Selbstwertgefühls dienen und meist mit stereotypen Vorurteilen und Klischees gegenüber den „Anderen“ und „Fremden“ einhergehen.

Dabei kommt der Projektion eigener psychischer Komponenten auf die fremde Gruppe als Mittel zur Bewältigung eigener innerer Konflikte besondere Bedeutung zu (siehe Abwehrmechanismus). So sieht die Psychoanalytikerin Julia Kristeva die Abwehr des Fremden als Abwehr projizierter unbewusster, angstauslösender Aspekte des Eigenen, bei der all jene Komponenten des Fremden Angst auslösen, die nicht in den eigenen „symbolischen Haushalt“ zu integrieren seien.

„Der Fremde, Figur des Hasses und des anderen, ist weder das romantische Opfer unserer heimischen Bequemlichkeit noch der Eindringling, der für alle Übel des Gemeinwesens die Verantwortung trägt. […] Auf befremdliche Weise ist der Fremde in uns selbst.“<ref>Julia Kristeva: Fremde sind wir uns selbst, 1991, S. 11, zitiert nach: Wolfgang Müller-Funk: Das Eigene und das Fremde / Der, die das Fremde – Zur Begriffsklärung nach Hegel, Levinas, Kristeva, Waldenfels, auf www.kakanien.ac.at (PDF; 156 kB).</ref>

Sie befürwortet das Eingeständnis und das Akzeptieren der Nichtintegrierbarkeit des Fremden und spricht sich für ein Auskommen mit ihm jenseits traditioneller Strategien wie Nivellierung, Ausgrenzung, Auslöschung, Überhöhung oder Erniedrigung aus.<ref>Julia Kristeva: Fremde sind wir uns selbst, 1991, S. 12, zitiert nach: Wolfgang Müller-Funk: Das Eigene und das Fremde / Der, die das Fremde – Zur Begriffsklärung nach Hegel, Levinas, Kristeva, Waldenfels, auf www.kakanien.ac.at (PDF; 156 kB).</ref>

Eher gruppenpsychologisch orientierte Ansätze wie die Theorie der Sozialen Identität nach Henri Tajfel verweisen auf die Relevanz der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen für das Selbstbild eines Individuums. Nach ihm konstituiere sich eine Gruppe in Abgrenzung zu anderen Gruppen, wobei bestimmte Unterscheidungsmerkmale stereotypisierend und zum Teil abwertend hervorgehoben würden.

Soziologisch orientierten Theorien (siehe unter Begriffliche Dimensionen) gilt Rassismus als Ideologie, die der Aufwertung der eigenen Gruppe und der Stabilisierung des eigenen Selbstgefühls dient und in diesem Sinn eine Abwertung und Ausgrenzung anderer Menschen vornimmt.

Der Rassismus ist von Formen kultureller oder religiöser Intoleranz abzugrenzen, die auf der Basis der gleichen psychischen Mechanismen ebenfalls zu Ablehnung und Unterdrückung anderer Menschengruppen führen. Anders als beim Rassismus wird die Differenz zur eigenen Gruppe in diesen Fällen aber nicht als erblich und unveränderbar angesehen. Durch die religiöse Konversion oder die Annahme einer anderen kulturellen Identität ist eine Integration unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen grundsätzlich möglich.

Peter Schmitt-Egner kritisiert sowohl sozialpsychologische als auch ökonomisch-funktionalistische Erklärungen des Rassismus. Ausgehend von Karl Marx’ Werttheorie beabsichtigt Schmitt-Egner stattdessen, „den Rassismus als gesellschaftlich notwendigen Schein der bürgerlichen Gesellschaft nachzuweisen, d. h. zu entwickeln, wie sich in den Widersprüchen der Ökonomieform die objektive Möglichkeit des Rassismus verbirgt.“<ref>Peter Schmitt-Egner: Wertgesetz und Rassismus. Zur begrifflichen Genesis kolonialer und faschistischer Bewußtseinsformen (Trend-Onlinezeitung, 5/2005), erschienen in: Hans-Georg Backhaus, Hans-Dieter Bahr (Hrsg.): Gesellschaft, Beiträge zur Marxschen Theorie 8/9, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1978, S. 350–405.</ref>

Siehe auch

Literatur

Monographien

Zur Geschichte des Rassismus

978-3-631-57501-7 br.

  1. Von der Antike bis zu den Kreuzzügen. 1977, ISBN 3-921333-99-7.
  2. Das Zeitalter der Verteufelung und des Ghettos. 1978, ISBN 3-921333-96-2.
  3. Religiöse und soziale Toleranz unter dem Islam. 1979, ISBN 3-921333-93-8.
  4. Die Marranen im Schatten der Inquisition. 1981, ISBN 3-921333-98-9.<ref>Metamorphosen des modernen Rassismus</ref>
  5. Die Aufklärung und ihre judenfeindliche Tendenz. 1983, ISBN 3-921333-88-1.
  6. Emanzipation und Rassenwahn. 1987, ISBN 3-921333-86-5.
  7. Zwischen Assimilation und „jüdischer Weltverschwörung“. 1988, ISBN 3-610-00417-7.
  8. Am Vorabend des Holocaust. 1988, ISBN 3-610-00418-5.
  • Léon Poliakov, Christian Delacampagne, Patrick Girard: Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Luchterhand-Literaturverlag, Hamburg 1992, ISBN 3-630-71061-1.
  • Léon Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Junius Verlag, Hamburg 1993, ISBN 3-88506-220-8.
  • Karin Priester: Rassismus. Eine Sozialgeschichte. Reclam, Leipzig 2003, ISBN 3-379-20076-X.
  • Hering Torres, Max Sebastián: Rassismus in der Vormoderne. Die „Reinheit des Blutes“ im Spanien der Frühen Neuzeit, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-593-38204-0.

Aufsätze

  • Walter Demel: Wie die Chinesen gelb wurden. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Rassentheorien. In: Historische Zeitschrift, 255 1992.
  • Gábor Paál: Rassismus oder die Angst vor dem Fremden. In: Clas, Detlef & Paal, G.: Fremde Heimat – Migration weltweit. Filderstadt 2007, ISBN 3-935129-35-1.
  • Pierre-André Taguieff: Le néo-racisme différentialiste. In: Langage et Société. 34 (1985)

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Rassismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons Commons: Rassismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Vereinte Nationen

Europarat

Deutschland

Österreich

Schweiz

Anmerkungen und Einzelnachweise

<references />