Sorben


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Die Lausitz – Heimat der Sorben
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Die Flagge der Sorben in den panslawischen Farben blau-rot-weiß
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Zweisprachiger Ortsname auf dem Ortsschild von Bautzen (Budyšin)

Die Sorben (obersorbisch Serbja, niedersorbisch Serby, v. a. in der Niederlausitz auch Wenden und veraltet auch Lausitzer Serben) sind ein westslawisches Volk, das in der Ober- und Niederlausitz in den Ländern Sachsen und Brandenburg lebt und in Deutschland als nationale Minderheit anerkannt ist. Die Sorben haben neben ihrer Sprache und ihrer Kultur eine offiziell anerkannte Flagge und Hymne. Sorben sind in aller Regel deutsche Staatsangehörige.

Sprache und Siedlungsgebiet

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Überblick über das anerkannte Siedlungsgebiet

Siedlungsgebiet

Hauptartikel: Sorbisches Siedlungsgebiet

Nach offiziellen Angaben gibt es rund 60.000 Sorben.<ref>Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg: Sorben (Wenden). Abgerufen am 26. August 2012.</ref> Diese Zahlen beruhen auf Hochrechnungen aus den 1990er Jahren. Auf Grundlage der Selbstzuschreibung wurden dabei 45.000 bis 50.000 und auf Basis der aktiven Sprachkenntnis circa 67.000 Sorben ermittelt.<ref> Ludwig Elle: Wie viele Sorben gibt es – noch? Oder: Kann und soll man Minderheiten zählen?. In: Elka Tschernokoshewa, Ines Keller (Hrsg.): Dialogische Begegnungen: Minderheiten – Mehrheiten aus hybridologischer Sicht, Hybride Welten Band 5. Waxmann, Münster 2011, ISBN 978-3-8309-2421-0, S. 214.</ref> Davon leben etwa zwei Drittel in der sächsischen Oberlausitz, vorwiegend im katholischen Dreieck zwischen den Städten Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda (in den fünf Gemeinden am Klosterwasser sowie in der Gemeinde Radibor und Teilen der Gemeinden Göda, Neschwitz, Puschwitz und in der Stadt Wittichenau). In den deutsch-sorbischen Teilen der Kreise im Freistaat Sachsen liegt der Anteil der Sorben schätzungsweise bei durchschnittlich 12 % und beträgt an der Gesamtbevölkerung Sachsens etwa 0,9 %. Ein Drittel lebt in der Niederlausitz, vorwiegend zwischen Senftenberg im Süden und Lübben im Norden, wobei 90 % davon in dem Landkreis Spree-Neiße und der kreisfreien Stadt Cottbus leben. In den deutsch-sorbischen Teilen der Kreise in Brandenburg liegt der Anteil der Sorben schätzungsweise bei durchschnittlich 7 % und beträgt an der Gesamtbevölkerung Brandenburgs etwa 0,8 %.<ref>Ludwig Elle: Territorium, Bevölkerung, demografische Prozesse im deutsch-sorbischen Gebiet. Projekat Rastko – Lužica, abgerufen am 22. September 2012.</ref>

Noch in den 1880er Jahren umfasste das Kernsiedlungsgebiet größere Gebiete südlich und östlich von Bautzen (bis Kirschau, Oelsa und Bad Muskau) sowie nördlich von Cottbus, in denen die Sprache heutzutage nicht mehr gesprochen wird.

Auch östlich der Neiße, auf heutigem polnischen Staatsgebiet, gab es bis ins 20. Jahrhundert hinein Sorben. Das Zentrum ihrer Kultur und Sprache zur deutschen Zeit war die Stadt Sorau (sorbisch Žarow, heute polnisch Żary). Bis ins 18. Jahrhundert trugen die Frauen und Mädchen die traditionelle sorbische Sorauer Tracht, jedoch wurde das Sorbische immer mehr durch die damalige preußische Politik benachteiligt oder sogar unterdrückt. Daraus und aus natürlich ablaufenden Assimilationsprozessen resultierte, dass 1843 bis 1849 sich noch ca. 4–5 % der Sorauer Bevölkerung als Sorben bezeichneten, jedoch nur ca. 1–2 % im Jahr 1890 und 1905 sogar nur noch 0,1 %.<ref> Leszek Belzyt: Die Zahl der Sorben in der amtlichen Sprachenstatistik vor dem Ersten Weltkrieg. In: Hans Henning Hahn, Peter Kunze (Hrsg.): Nationale Minderheiten und staatliche Minderheitenpolitik in Deutschland im 19. Jahrhundert. Oldenbourg Akademieverlag, Berlin 1999, ISBN 3-05-003343-6, S. 157–170.</ref> Heute ist die Sprache der Bevölkerung fast ausschließlich Polnisch, wenige haben Deutsch als Muttersprache. Die damalige sorbische Bevölkerung wurde germanisiert und Ende des Zweiten Weltkrieges zum größten Teil vertrieben, da sie Reichsangehörige waren. Die wenigen in Polen verbliebenen Sorben wurden in das polnische Volk assimiliert.

Sorbische Sprache

Hauptartikel: Sorbische Sprache

Von der sorbischen Sprache existieren zwei Schriftsprachen (Standardvarietäten), Obersorbisch (hornjoserbšćina) und Niedersorbisch (dolnoserbšćina), jedoch wird meistens zwischen Niedersorbisch, Obersorbisch und der Gruppe der dazwischenliegenden Grenzdialekte unterschieden. Die niedersorbische Sprache ist akut vom Aussterben bedroht. Während das Obersorbische dem Tschechischen und Slowakischen näher steht, ist das Niedersorbische dem Polnischen ähnlicher.<ref name="Sewc2">Heinz Schuster-Šewc: Das Sorbische – eine slawische Sprache in Deutschland. In: Akademie-Journal 2/2001 „Sprachen in Europa“. Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, S. 31–35 (PDF).</ref>

Nach Schätzungen sorbischer Institutionen (Domowina, Sorbisches Institut) gibt es heute 20.000 bis 30.000 aktive Sprecher der sorbischen Sprache, anderen Hochrechnungen zufolge hat das Niedersorbische noch 7.000 aktive Sprecher und das Obersorbische etwa 15.000. Der Kern des obersorbischen Gebiets, in dem das Sorbische Alltagssprache ist und von der großen Mehrheit der Bevölkerung genutzt wird, sind dabei die Gemeinden Crostwitz, Ralbitz-Rosenthal, Panschwitz-Kuckau, Nebelschütz und Räckelwitz sowie Teile der angrenzenden Gemeinden Neschwitz, Puschwitz und Göda. Ein weiteres Zentrum ist die Gemeinde Radibor. In der Niederlausitz kann von einem stabilen Kerngebiet in dieser Form nicht mehr gesprochen werden. Die meisten Niedersorbisch-Muttersprachler findet man jedoch in den Gemeinden zwischen dem Spreewald und Cottbus.<ref> Jana Schulz: Das Sorbische als Minderheitensprache: Last oder Herausforderung?. In: Christel Stolz (Hrsg.): Neben Deutsch – Die autochthonen Minderheiten- und Regionalsprachen Deutschlands. Universitätsverlag Brockmeyer, Bochum 2009, ISBN 978-3-8196-0730-1, S. 103–120.</ref><ref name="Elle2010"> Ludwig Elle: Sorben-demographische und statistische Aspekte. In: Matthias Theodor Vogt, Jürgen Neyer, Dieter Bingen, Jan Sokol (Hrsg.): Minderheiten als Mehrwert. Peter Lang GmbH, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-631-60239-3, S. 309–318.</ref>

In einem Streifen von Bad Muskau im Osten über Schleife bis nach Hoyerswerda im Westen werden Übergangsdialekte gesprochen, die sogenannten Sorbischen Grenzdialekte. Sie unterscheiden sich von beiden Standardsprachen teils erheblich.

Sorbische Emigration

Aufgrund der vorherrschenden Armut in den ländlichen Gebieten des Deutschen Bundes Mitte des 19. Jahrhunderts kam es auch in der Lausitz zu einer Abwanderung kleinerer sorbischer Bevölkerungsteile.

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Kilian Hall, das nach Jan Kilian benannte ehemalige Hauptgebäude der Concordia Universität Texas

Eine Gruppe von über 500 Sorben unter der Führung des evangelisch-lutherischen Pfarrers Jan Kilian segelte 1854 auf dem Schiff „Ben Nevis“ nach Galveston. Sie gründeten später die Siedlung Serbin im texanischen Lee County nahe Austin. Zwei Drittel der Emigranten stammten dabei aus dem preußischen, ein Drittel aus dem sächsischen Teil der Oberlausitz, darunter ca. 200 Sorben aus Klitten. Bis in die 1920er Jahre hielt sich die sorbische Sprache, eine Variante des Obersorbischen, die zuerst vom Deutschen, später vom Englischen stark beeinflusst wurde. Früher wurden in Serbin auch Zeitungen auf Sorbisch veröffentlicht. Heute befindet sich in der ehemaligen sorbischen Schule von Serbin das Texas Wendish Heritage Museum, das über die Geschichte der Sorben in den USA berichtet. Nachfahren dieser Auswanderer gründeten 1926 in der texanischen Hauptstadt Austin die Concordia Universität Texas.<ref name="Heinsohn"> Gunnar Heinsohn: Ein kanadischer Joker im Ärmel der Sorben. In: Matthias Theodor Vogt, Jürgen Neyer, Dieter Bingen, Jan Sokol (Hrsg.): Minderheiten als Mehrwert. Peter Lang GmbH, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-631-60239-3, S. 557f.</ref><ref> Robert Lorenz: „Wir bleiben in Klitten“: Zur Gegenwart in einem ostdeutschen Dorf. LIT Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-8258-1644-5, S. 38.</ref>

Weitere sorbische Siedlungen – überwiegend gemeinsam mit deutschen Auswanderern – gab es in verschiedenen Gebieten Australiens, vor allem im Süden Australiens. In den Jahren 1848 bis 1860 kamen die meisten Sorben, etwa 2000 in 400 Familien, ein großer Teil von ihnen mit den Schiffen „Pribislaw“ und „Helena“. Auch in Australien nach der Auswanderung wurde die sorbische Sprache stark vom Deutschen beeinflusst, da sie wegen der fehlenden Englischkenntnisse meist in die deutschen Sprachregionen zogen. Die letzte Nachkommin der sorbischen Einwanderer, welche die Sprache noch beherrschte, starb 1957 in Sevenhill.<ref>Jan L. Perkowski: The Sorbian Languages in Australia. In: Lětopis A/15 (1968), Ludowe nakładnistwo Domowina, Budyšin 1968, S. 201–219</ref><ref name="Heinsohn" />

Religion

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Zahlreiche Wegkreuze – wie hier bei Crostwitz – zeugen vom katholischen Glauben der Bevölkerung im heutigen sorbischen Kernland
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Die sorbisch-evangelische Michaeliskirche in Bautzen

Die meisten Sprecher des Obersorbischen sind heutzutage katholischer Konfession. Ursprünglich war die Mehrzahl der Sorben noch im 19. Jahrhundert evangelisch-lutherisch (86,9 % im Jahr 1900),<ref>Laut Volkszählung 1900, siehe Ernst Tschernik: Die Entwicklung der Sorbischen Bevölkerung. Akademie-Verlag Berlin, 1954, S. 34</ref> nur die Sorben des Kreises Kamenz – angesiedelt überwiegend auf dem ausgedehnten ehemaligen Grundbesitz des Klosters St. Marienstern – waren zu 88,4 % Katholiken. In der Niederlausitz lag deren Anteil dagegen durchweg unter einem Prozent. Aufgrund des schnelleren Sprach- und Identitätsverlustes unter der evangelischen sorbischen Bevölkerung – insbesondere in der DDR-Zeit – ist dieses Verhältnis heute umgekehrt.

Die unterschiedliche Entwicklung des Sprachverhaltens im katholischen bzw. evangelischen Sorbentum ist zum einen auf die unterschiedliche Struktur der Kirchen zurückzuführen. Während es sich bei der evangelischen Kirche um eine Landeskirche handelt (wobei die Landesherren der sorbischen Bevölkerung immer deutschsprachig waren), ist die katholische Kirche in ihrer ultramontanen Ausrichtung auf den Vatikan seit jeher transnational. Die größere Staatsnähe der evangelischen Kirche sollte sich besonders mit der in der Niederlausitz seit dem 17. Jahrhundert betriebenen Germanisierungspolitik negativ auf das sorbische Sprachgebiet auswirken. Zum anderen herrschte in der katholischen Kirche eher die Meinung vor, dass die Muttersprache als göttliches Geschenk zu betrachten sei, welches abzulegen Sünde wäre. So erklärt sich der seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt betonte außergewöhnlich enge Zusammenhang zwischen Katholizismus und Sorbentum, der bis in die heutige Zeit besteht.<ref>Martin Walde: Katholisches versus evangelisches Milieu bei den Sorben. In: Lětopis. Band 53, 2006, Heft 2, S. 15 ff., Ludowe nakładnistwo Domowina, Budyšin/Bautzen 2006</ref>

Die katholischen Gemeinden stellen heute den Kern des verbliebenen Mehrheitsgebietes dar, während in den evangelischen Gebieten im Osten und Norden die Sprache zumeist verschwunden ist. Während in der westlichen Oberlausitz insbesondere die jahrhundertelange Verbundenheit der Sorben zur katholischen Kirche maßgeblich zum Erhalt der sorbischen Muttersprache beigetragen hat, zeigte in der Niederlausitz die evangelische Kirche vor und nach 1945, trotz allgemeiner Förderung der Sorben in der DDR, kein Interesse, die Sprache der Minderheit im kirchlichen Leben zu pflegen. Erst seit 1987 gibt es auf Initiative einiger Niedersorben wieder regelmäßigen wendischen Gottesdienst.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es zudem einen nennenswerten Anteil konfessionsloser Sorben.

Institutionen

Domowina

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Symbol der Domowina

Die 1912 gegründete zentrale Interessenvertretung Domowina (ein sorbischer poetischer Ausdruck für „Heimat“, voller Name Domowina – Zwjazk Łužiskich Serbow z. t., Domowina – Bund Lausitzer Sorben e. V.) ist der Dachverband von Ortsgruppen, fünf Regionalverbänden sowie zwölf überregional wirkender sorbischer Vereine,<ref>Regionalverbände und Mitgliedsvereine der Domowina. Domowina (Zwjazk Łužiskich Serbow z.t. – Zwězk Łužyskich Serbow z.t. – Bund Lausitzer Sorben e.V.), abgerufen am 18. Oktober 2012.</ref> mit insgesamt ca. 7.300 Mitgliedern,<ref>Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. Stiftung für das sorbische Volk, abgerufen am 18. Oktober 2012.</ref> wobei jene, die in mehreren Mitgliedsvereinen organisiert sind, auch mehrfach gezählt werden.

Institut für Sorabistik

Am 10. Dezember 1716 gründeten sechs sorbische Theologiestudenten mit Erlaubnis des Senates der Universität Leipzig das „Wendische Predigercollegium“ (später umbenannt in „Lausitzer Predigergesellschaft“ und „Landsmannschaft Sorabia“), den ersten sorbischen Verein überhaupt.<ref>Geschichte der Sorben im 17.–18. Jahrhundert. Wendisches Museums Cottbus 2008, abgerufen am 30. August 2012.</ref> Ihr Grundsatz war zugleich ihre Grußformel: „Soraborum saluti!“ Heute ist das Institut für Sorabistik an der Universität Leipzig das einzige Institut in Deutschland, an dem Sorbischlehrer und Sorabisten ausgebildet werden. Unterrichtssprachen sind Ober- und Niedersorbisch. In letzter Zeit finden die Sorabistik und die dazu angebotenen Studiengänge an der Universität Leipzig zunehmendes Interesse, insbesondere im slawischen Ausland. Direktor des Institutes ist seit dem 1. März 2003 Prof. Dr. Eduard Werner (sorb. Edward Wornar).

Sorbisches Institut

Seit 1951 existiert in Bautzen eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Sorabistik, die bis 1991 zur Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin (Ost) gehörte. 1992 zum Sorbischen Institut e. V. (Serbski Institut z. t.) umgegründet, sind die ca. 25 festen Mitarbeiter nun an den beiden Standorten Bautzen (Sachsen) und Cottbus (Brandenburg) tätig. Komplexer Auftrag ist die Erforschung der sorbischen Sprache (Ober- und Niedersorbisch), der Geschichte, Kultur und Identität des sorbischen Volkes in der Ober- und Niederlausitz. Das Institut wirkt mit seinen vielfältigen Projekten zugleich auf die Praxis der Erhaltung und Entfaltung sorbischer nationaler Substanz ein. Ihm angegliedert sind die Sorbische Zentralbibliothek und das Sorbische Kulturarchiv, die das sorbische Kulturerbe aus nahezu 500 Jahren sammeln, bewahren und weitervermitteln.

Domowina-Verlag

Ebenfalls in Bautzen ist der Domowina-Verlag (sorb. Ludowe nakładnistwo Domowina) ansässig, in dem die meisten sorbischen Bücher, Zeitungen und Zeitschriften erscheinen. Der Verlag ging aus dem 1958 gegründeten VEB Domowina-Verlag hervor, welcher 1990 in eine GmbH umgewandelt wurde.<ref> Christoph Links: Das Schicksal der DDR-Verlage – Die Privatisierung und ihre Konsequenzen. Christoph Links Verlag – LinksDruck GmbH, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-523-2, S. 64–65.</ref> Der Verlag wird aus dem Etat der Stiftung für das sorbische Volk mit 2,9 Mio € finanziert (Stand 2012). Seit 1991 wird vom Verlag die Smoler’sche Verlagsbuchhandlung (sorb. Smolerjec kniharnja) betrieben, die in Anlehnung an die 1851 eingerichtete sorbische Buchhandlung des ersten sorbischen Verlegers Jan Arnošt Smoler (1816–1884) benannt ist.<ref>Smoler’sche Verlagsbuchhandlung Domowina-Verlag GmbH, abgerufen am 20. Oktober 2012.</ref>

Sorbisches Museum

Das Sorbische Museum in Bautzen (Serbski muzej Budyšin) befindet sich im Salzhaus der Ortenburg. In seiner Ausstellung gibt es einen Überblick über die Geschichte der Sorben von seinen Anfängen im 6. Jahrhundert bis zur Gegenwart sowie über Kultur und Lebensweise der sorbischen Bevölkerung. In regelmäßig wechselnden Sonderausstellungen werden Werke sorbischer bildender Künstler präsentiert oder spezielle geschichtliche Themen behandelt. Träger des Sorbischen Museums ist der Landkreis Bautzen. Außerdem wird es aus Mitteln der Stiftung für das sorbische Volk und des Kulturraumes Oberlausitz-Niederschlesien gefördert.

Stiftung für das sorbische Volk

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Das Haus der Sorben (Serbski dom) in Bautzen ist Sitz zahlreicher sorbischer Institutionen.

Die Stiftung für das sorbische Volk (Załožba za serbski lud) soll als gemeinsames Instrument des Bundes und der beiden Länder Brandenburg und Sachsen die Bewahrung und Entwicklung, Förderung und Verbreitung der sorbischen Sprache, Kultur und Traditionen als Ausdruck der Identität des sorbischen Volkes unterstützen.

Sie wurde 1991 per Erlass zunächst als nichtrechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts in Bautzen gegründet. Unter Berücksichtigung, dass das sorbische Volk jenseits der Grenzen der BRD keinen Mutterstaat besitzt und gestützt auf die in der Protokollnotiz Nr. 14 zu Art. 35 des Einigungsvertrages erklärte Verpflichtung der Bundesrepublik gegenüber dem sorbischen Volk wurden so die materiellen Rahmenbedingungen geschaffen. Mit Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen dem Land Brandenburg und dem Freistaat Sachsen über die Errichtung der Stiftung für das sorbische Volk vom 28. August 1998 erlangte die Stiftung ihre Rechtsfähigkeit. Gleichzeitig wurde ein erstes bis Ende 2007 gültiges Finanzierungsabkommen zwischen dem Bund und den Ländern Brandenburg und Sachsen vereinbart. Auf der Grundlage des Zweiten Abkommens über die gemeinsame Finanzierung vom 10. Juli 2009 erhält die Stiftung zur Erfüllung des Stiftungszweckes jährliche Zuwendungen des Freistaates Sachsen, des Landes Brandenburg und des Bundes. Das Abkommen gilt bis zum 31. Dezember 2013.<ref>Stiftung für das sorbische Volk – Entstehung. Homepage der Stiftung, abgerufen am 30. August 2012.</ref>

Die bis 2013 festgelegte Zuwendungssumme betrug 16,8 Millionen Euro. Sie setzte sich wie folgt zusammen: Bund 8,2 Millionen Euro, Sachsen 5,85 Millionen Euro, Brandenburg 2,77 Millionen Euro.<ref>Stiftung für das sorbische Volk – Finanzierung. Homepage der Stiftung, abgerufen am 30. August 2012.</ref> Den größten Anteil des Stiftungsetats erhielten das Sorbische National-Ensemble (29 %), der Domowina-Verlag (17,2 %) und das Sorbische Institut (11,3 %) sowie die Stiftungsverwaltung (11,4 %).<ref>Stiftung für das sorbische Volk – Förderung sorbischer Institutionen. Homepage der Stiftung, abgerufen am 30. August 2012.</ref> Um die absolute Fördermenge und die Verteilung für einzelne Institutionen und Projekte gibt es immer wieder öffentliche Kontroversen, die in einigen Fällen zu Demonstrationen führten.<ref>Minderheit – Die Sorgen der Sorben. Der Tagesspiegel 29. Mai 2008, abgerufen am 26. September 2012.</ref><ref>Rüdiger Trenkler: Bautzen – Protestdemo gegen Kulturabbau für das Sorbische National-Ensemble. LausitzNEWS.de 19. März 2010, abgerufen am 26. September 2012.</ref>

Schulen und Kindergärten

Im Freistaat Sachsen und in Brandenburg gibt es im zweisprachigen Siedlungsgebiet der Sorben mehrere bilinguale sorbisch-deutsche Schulen, sowie weitere Schulen, an denen Sorbisch als Fremdsprache gelehrt wird. In Sachsen arbeiteten im Schuljahr 2013/14 acht Grund- und sechs Oberschulen zweisprachig<ref>Sorbische Schulen in Sachsen. Staatsministerium für Kultus – Schuljahr 2011/12, abgerufen am 30. August 2012.</ref> und in Brandenburg vier Grund- und eine Oberschule mit Grundschulanteil<ref>Allgemein bildende Schulen im Land Brandenburg. Elektronisches Schulverzeichnis des Ministerium für Bildung, Jugend und Sport – Schuljahr 2011/2012, abgerufen am 30. August 2012.</ref> als zweisprachige sorbisch-deutsche Schulen. Die Erlangung der Hochschulreife in sorbischer Sprache ermöglichen das Sorbische Gymnasium in Bautzen und das Niedersorbische Gymnasium in Cottbus.

In beiden Bundesländern gibt es weiterhin mehrere sorbische Kindergärten. Der bundeslandübergreifende Sorbische Schulverein e.V. hat zudem das Projekt Witaj zur zweisprachigen Betreuung und Ausbildung an Kindergärten und Schulen ins Leben gerufen, bei dem die Kinder per Immersion an die sorbische Sprache herangeführt werden.<ref>Sorbischer Schulverein e.V. (SSV). Abgerufen am 30. August 2012.</ref>

Siehe auch: Sorbisches Schulwesen

Medien

Es erscheinen eine obersorbische Tageszeitung Serbske Nowiny (Sorbische Zeitung), eine niedersorbische Wochenzeitung Nowy Casnik (Neue Zeitung), die sorbische Kulturmonatsschrift Rozhlad (Umschau), die Kinderzeitschrift Płomjo (Flamme), die katholische Zeitschrift Katolski Posoł und die evangelische Kirchenzeitung Pomhaj Bóh. Das Sorbische Institut bringt alle sechs Monate die wissenschaftliche Zeitschrift Lětopis heraus. Für Pädagogen gibt es die Fachzeitschrift Serbska šula.

Ferner gibt es den Sorbischen Rundfunk, dessen Programm vom Mitteldeutschen Rundfunk und Rundfunk Berlin-Brandenburg produziert wird. Täglich werden einige Stunden sorbischsprachige Radiosendungen von Sendern in Calau (RBB) und Hoyerswerda (MDR 1) ausgestrahlt, wobei alle niedersorbischen Sendungen des RBB auch im Internet nachgehört werden können. Für junge Leute sendet der RBB jeden ersten Donnerstag im Monat das halbstündige Monatsmagazin Bubak und der MDR jeden Montag das zweistündige Wochenmagazin Radio Satkula.

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg produziert seit April 1992 monatlich das halbstündige niedersorbische Fernsehmagazin Łužyca (Lausitz), der MDR seit dem 8. September 2001 monatlich die halbstündige obersorbische Sendung Wuhladko (Aussicht). Außerdem sendet der MDR jeden Sonntag Unser Sandmännchen in Zweikanalton.

Kultur

Literatur

Das erste gedruckte Werk im Niedersorbischen war Martin Luthers Gesangbuch in der Übersetzung von Albin Moller (1574), im Obersorbischen Luthers Kleiner Katechismus (1597). Erst im 19. Jahrhundert entstand eine nationalbewusste sorbische Literatur. Bis dahin hatte sich die niedergeschriebene und gedruckte sorbische Literatur fast ausschließlich auf religiöse und wirtschaftliche Inhalte beschränkt. Der Lyriker Handrij Zejler gilt als Begründer der modernen Literatur und war 1847 Mitbegründer der sorbischen wissenschaftlichen Gesellschaft Maćica Serbska. Sein 1827 veröffentlichtes Gedicht „Na sersku Łužicu” („An die sorbische Lausitz“) wurde 1845 von Korla Awgust Kocor vertont, woraus die heutige Hymne der Sorben „Rjana Łužica“ („Schöne Lausitz“) entstand. Weitere klassische Dichter waren auf obersorbischer Seite der Lieder- und Märchensammler Jan Arnošt Smoler und der katholische Priester und Dichter Jakub Bart-Ćišinski. In der vom Obersorbischen dominierten sorbischen Literatur erbrachte unter anderem die Lyrikerin Mina Witkojc einen bedeutenden Beitrag für das in der Niederlausitz gesprochene Niedersorbisch.<ref> Helmut Schmitz: Von Der Nationalen Zur Internationalen Literatur: Transkulturelle Deutschsprachige Literatur Und Kultur Im Zeitalter Globaler Migration (Amsterdamer Beitrage Zur Neuren Germanistik). Rodopi B.V., Amsterdam 2009, ISBN 978-90-420-2582-0, S. 36–37.</ref>

Die literarischen Fassungen der Krabatsage, Mišter Krabat (1954) von Měrćin Nowak-Njechorński, Die schwarze Mühle (1968) von Jurij Brězan und Krabat (1971) des sudetendeutschen Schriftstellers Otfried Preußler wurden in viele Sprachen übersetzt und trugen dazu bei, die Sorben auch im Ausland bekanntzumachen.

Gegenwartsautoren sind beispielsweise Jurij Brězan, Kito Lorenc, Jurij Koch, Angela Stachowa, Róža Domašcyna, Jan Cyž, Marja Krawcec und Marja Brězanec (siehe auch: Liste sorbischsprachiger Schriftsteller).

Bildende Kunst

Mit den Bildhauern Jakub Delenka (1695–1763) und Maćij Wjacław Jakula tauchen die ersten Künstler im Zeitalter des Barock auf. Jäckel hatte in Prag eine Werkstatt und schuf mehrere Skulpturen für böhmische Klosterkirchen und die Prager Karlsbrücke. Zu den herausragenden Künstlern des 18./19. Jahrhunderts zählt der Landschaftszeichner und -radierer Hendrich Božidar Wjela, der zwischen 1793 bis 1799 an der Dresdener Kunstakademie bei Johann Christian Klengel und Giovanni Battista Casanova studierte. Wjela kann als Zeichner und Radierer zwischen dem Sturm und Drang und der Romantik eingeordnet werden.<ref name="Mirtschin">Maria Mirtschin: Sorbische bildende Kunst. Projekat Rastko – Lužica, abgerufen am 29. August 2012.</ref>

Ende des 19. Jahrhunderts entstand durch den Aufschwung der Volkskunde und des Heimatschutzes die sogenannte Brauchtumsmalerei und das Interesse deutscher und ausländischer Künstler für die Sorben wurde geweckt. Dem Landvolk widmeten sich mit dieser auf eine beschreibende Darstellung der Folklore zielenden Malerei Künstler wie William Krause, Ludvík Kuba sowie später unter anderem Friedrich Krause-Osten, und zeigten die Sorben in ihrer kulturellen Vielfalt und Tradition.<ref name="Mirtschin" />

Zu den herausragenden sorbischen Künstlern des 20. Jahrhunderts zählen der Maler, Graphiker und Schriftsteller Měrćin Nowak-Njechorński sowie Hanka Krawcec und Fryco Latk. In den zwanziger Jahren versuchten die Künstler, nationale Ideale nicht durch die reine Abbildung der Folklore zu interpretierten, sondern durch ein stärkeres ästhetisches und philosophisches Eindringen in die Eigenarten des sorbischen Volkes. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich sorbische Maler und Grafiker 1948 zum Arbeitskreis sorbischer bildender Künstler zusammen. Der Arbeitskreis wurde von 1948 bis 1951 durch Conrad Felixmüller geleitet, in dessen folkloristisch geprägter Malerei aus dem ländlichen Milieu der sorbischen Oberlausitz ein Wiederentdecken seiner sorbischen Vorfahren zum Ausdruck kommt. Zum sorbischen Arbeitskreis gehörten unter anderem auch Horst Šlosar und Ota Garten. Heutige sorbische Kunstschaffende sind unter anderem die Maler Jan Buk und Božena Nawka-Kunysz sowie die Graphikerin und Keramikerin Jěwa Wórša Lanzyna.<ref>Mirko Kolodziej: Lutki-Kompanie aus Ton im Schloss. Lausitzer Rundschau 7. Juni 2008, abgerufen am 29. August 2012.</ref><ref name="Mirtschin" />

Siehe auch: Liste sorbischer bildender Künstler

Musik und Theater

Die frühe sorbische Musik ist durch das Volkslied und die instrumentale Volksmusik gekennzeichnet. Erste Dokumentationen gibt es aus dem ausgehenden 18./19. Jahrhundert, wie zum Beispiel das „Kralsche Geigenspielbuch“ des Volksmusikanten Mikławš Kral (1791–1812) und die in Bautzen erschienene Sammlung „Volkslieder der Sorben in der Ober- und Niederlausitz“ von Leopold Haupt (1797–1883) und Jan Arnošt Smoler. Zur Zeit der Reformation gab es einige namhafte sorbische Kirchenmusiker, wie zum Beispiel den aus der Niederlausitz stammenden Kantor der St.-Nicolai-Kirche in Berlin, Jan Krygaŕ. Krygaŕ (dt. Johann Crüger) gilt als wichtigster protestantischer Choralkomponist und Musiktheoretiker des 17. Jahrhunderts, aus dessen Schriften sogar Johann Sebastian Bach sein musikalisches Handwerk erwarb.<ref name="Kobjela"> Detlef Kobjela: SORBISCHE MUSIKKULTUR. In: Madlena Norberg, Peter Kosta (Hrsg.): Sammelband zur sorbischen/wendischen Kultur und Identität (Potsdamer Beiträge zur Sobastik – Nr. 8). Universitätsverlag Potsdam, 2008, ISBN 978-3-940793-35-5, S. 70–79.</ref>

Das erste weltliche Werk sorbischer Kunstmusik stammt von Jurij Rak aus dem Jahre 1767. Es handelt sich dabei um eine „Jubiläumsode“ des damaligen Jurastudenten zur 50-Jahr-Feier des Wendischen Predigercollegiums zu Leipzig („Sorabia“). Obwohl das sorbische Musikleben weder über Theater oder Orchester verfügte, erreichte die Kunstmusik Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts einen ersten bedeutsamen Höhepunkt. Entscheidenden Anteil hatte der Lehrer und Kantor Korla Awgust Kocor. Gemeinsam mit dem Dichter Handrij Zejler organisierte er ein erstes Gesangfest am 17. Oktober 1845 im Bautzener Schützenhaus. Dort wurde auch Zejlers Rjana Łužica erstmals aufgeführt, deren Vertonung von Kocor stammt. Sie begründeten die Tradition der Sorbischen Sängerfeste, welche sich zu populären Ereignissen im Oberlausitzer Kulturraum entwickelten. Eines der wichtigen Werke von Kocor ist das Oratorium „Nalěćo“ (deutsch Frühling) auf einen Gedichtzyklus von Zejler. Um 1900 war Jurij Pilk einer der maßgeblichen Vertreter des sorbischen Musiklebens. Die Ouvertüre zum Singspiel „Smjertnica“ (Die Todesgöttin) zählt zu seinen wichtigsten Werken. Eine weitere Persönlichkeit mit bleibendem Einfluss war der sorbische Komponist, Musikpädagoge und Herausgeber von Musikliteratur Bjarnat Krawc. Zu den Vertretern der zeitgenössischen sorbischen Musik zählen unter anderem Ulrich Pogoda, Jan Bulank und Detlef Kobjela (siehe auch: Liste sorbischer Komponisten klassischer Musik).<ref name="Kobjela" />

Nach 1945 war Jurij Winar (1909–1991) treibende Kraft zur Wiederbelebung des sorbischen Musiklebens. Winar gründete 1952 das heutige Sorbische National-Ensemble (Serbski ludowy ansambl, SLA), an dem er bis 1960 Intendant und künstlerischer Leiter war.<ref name="Kobjela" /> Gefördert durch die Stiftung für das sorbische Volk pflegen, bewahren und entwickeln heute die drei professionellen Sparten Ballett, Chor und Orchester die kulturelle Tradition der Sorben.

Das Deutsch-Sorbische Volkstheater (Němsko-Serbske ludowe dźiwadło) geht auf das seit Ende des 18. Jahrhunderts bestehende Bautzener Theater zurück, welches 1963 mit dem seit 1948 bestehenden Sorbischen Volkstheater vereint wurde. Es führt Werke in deutscher und sorbischer Sprache auf. Das Theater in Bautzen ist ein kommunaler Eigenbetrieb des Landkreises Bautzen und wird anteilig aus Mitteln der Stiftung für das sorbische Volk und des Kulturraumes Oberlausitz-Niederschlesien finanziert.

Folklore

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Bemalte sorbische Ostereier

Viele Bräuche haben sich erhalten, vor allem das Osterreiten, die Vogelhochzeit und das traditionelle Bemalen von Ostereiern. Zahlreiche slawische mythologische Vorstellungen sind heute noch lebendig, wie zum Beispiel die Mittagsfrau (Připołdnica/Přezpołdnica), der Wassermann (Wódny muž), die Gottesklage (Bože sadleško) oder der geld- und glückbringende Drachen (obersorb. zmij, niedersorb. plon).

Im obersorbischen Kerngebiet, in etwa durch ein Dreieck zwischen den Städten Bautzen, Kamenz und Wittichenau beschrieben, sind Kruzifixe am Wegrand und in Vorgärten sowie gepflegte Kirchen und Kapellen Ausdruck einer bis in die Gegenwart gelebten (meist katholischen) Volksfrömmigkeit, die viel zur Bewahrung der sorbischen Substanz beigetragen hat.

Sehr eindrucksvoll sind auch die sorbischen Trachten, welche regional stark unterschiedlich sind. Sie werden vereinzelt von älteren Frauen noch täglich, von jüngeren jedoch nur zu den großen Feiertagen getragen, wie beispielsweise zu Fronleichnam die Tracht der Brautjungfer (družka).

Geschichte

Sorbische Frühgeschichte (6. bis 9. Jahrhundert)

Die Sorben können auf eine etwa 1400 Jahre lang nachweisbare Geschichte zurückblicken. In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts n. Chr. verließen ihre Vorfahren im Zuge der damaligen Völkerwanderung ihre Wohngebiete nördlich der Karpaten zwischen Oder und Dnepr und zogen über Schlesien und Böhmen nach Westen, wo sie im 6. Jahrhundert das Gebiet zwischen dem Oberlauf der Neiße in Nordböhmen und dem Flussgebiet der Saale mit dem sächsischen Vorland des Erzgebirges und dem Fläming besiedelten. Diese Gebiete waren seit der Abwanderung germanischer Völkerschaften im Zuge der Völkerwanderung nahezu unbewohnt, verbliebene germanische Restbevölkerung wurde assimiliert.<ref>Jan Brankačk, Frido Mětšk: Geschichte der Sorben, Bd. 1: Von den Anfängen bis 1789. Bautzen 1977, S. 15–25.</ref><ref name="Peter Kunze 2008">Peter Kunze: Kurze Geschichte der Sorben. Ein kulturhistorischer Überblick. Bautzen 2008, S. 9–17.</ref>

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Aufteilung des Fränkischen Reiches im Jahre 843. Das Siedlungsgebiet der Sorben (gelb, oben) grenzt an das Ostfrankenreich von Ludwig dem Deutschen (hellbraun).

In der sogenannten Fredegar-Chronik werden für 631/32 Wenden und erstmals Sorben erwähnt, welche wiederholt plündernd in Thüringen und anderen Gauen des Frankenreiches einfielen: „Seither fielen die Wenden zu wiederholten Malen in Thüringen und anderen pagi des Frankenreiches ein, um sie auszuplündern; ja sogar Dervanus, der dux des Volkes des Sorben durch die Gesetzgebung und Verwaltung nicht in ihrer freien volkstümlichen Entwicklung, besonders nicht im Gebrauch ihrer Muttersprache beim Unterricht sowie bei der inneren Verwaltung und der Rechtspflege beeinträchtigt werden“ dürfen.

Im Jahre 1920 wurde die Wendische Volkspartei von Jan Skala gegründet, konnte im Parlament allerdings keine Mandate erringen. Sie setzte sich für die Ziele der sorbischen Nationalbewegung ein. Zusammen mit der Domowina und der wissenschaftlichen Vereinigung Maćica Serbska bildeten sie 1925 den Wendischen Volksrat. Auch in dem 1924 gegründeten Verband der nationalen Minderheiten Deutschlands arbeiteten die Sorben mit.

In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche Vereinigungen, Genossenschaften und eine sorbische Volksbank. Die demokratischen Verhältnisse der Weimarer Republik boten den Sorben nun bessere Möglichkeiten, volkstümliche Aktivitäten zu entfalten. Hier leisteten, besonders in der Oberlausitz, die zahlreichen sorbischen Vereine breite Kultur- und Bildungsarbeit.

Nachdem die NSDAP zunächst versucht hatte, die Sorben in die neuen Strukturen einzugliedern und für ihre Ziele zu vereinnahmen, sowie die Domowina in den Bund Deutscher Osten einzugliedern, änderte sich die Politik, nachdem klar wurde, dass die sorbischen Organisationen unter dem Domowina-Vorsitzenden Pawoł Nedo sich dem widersetzten. Ab 1937 wurden der Gebrauch des Sorbischen in der Öffentlichkeit und alle sorbischen Vereinigungen verboten. Sorbische Lehrer und Geistliche wurden aus der Lausitz in weit entfernte Teile Deutschlands versetzt. Das Regime versuchte damit, das sorbische Volk zur Assimilation zu zwingen. Unter der sorbischen Intelligenz kam es zu systematischen Verhaftungen; einige ihrer aktivsten Vertreter wurden in Konzentrationslagern inhaftiert, manche erlebten die Befreiung nicht mehr (u. a. Maria Grollmuß, Alois Andritzki).

Im gleichen Zug wurde vor allem das Lausitzbild propagandistisch verändert, teils agrarromantisch („Lausitzbauern“), dann auch mit industriell-modernen Zügen unter Bezug auf die Braunkohle („Umbruch“).<ref>Als Analyse vgl. Ulf Jacob, Sorben, Wenden, Spreewaldbauern, 2005, S. 7 ff.</ref>

Unmittelbare Nachkriegszeit

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Angedachte Ausdehnung einer unabhängigen Lausitz, herausgegeben vom Sorbischen Nationalausschuss

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Domowina eine der ersten Organisationen in der SBZ, deren Tätigkeit von der Sowjetischen Militäradministration zugelassen wurde, noch bevor es den besiegten Deutschen erlaubt war, wieder Organisationen zu gründen. Denn, so Marschall Iwan Stepanowitsch Konjew, das „kleine Volk, das auf dem Territorium Deutschlands lebt und im Faschismus soviel erdulden mußte, verdiente es, unterstützt zu werden.“<ref>Blume in der Sonne. Der Spiegel. Ausgabe 43/1974, S. 68</ref> Nach ihrer Wiedergründung am 10. Mai 1945 in Crostwitz nahm die Domowina erneut ihre Arbeit auf mit dem Ziel, die sorbische Identität in der Lausitz zu erhalten und zu beleben. Zunächst war sie nur in der Oberlausitz tätig, weil die Wiederaufnahme der Arbeit in der Niederlausitz auf Betreiben der Brandenburger SED-Leitung unter Friedrich Ebert sowie des Cottbusser Landrats Franz Saisowa (SED) bis 1949 im Hinblick auf ihre angeblich separatistischen Bestrebungen nicht zugelassen wurde. Sorbische Aktivitäten wurden dort zunächst systematisch unterdrückt, nationalbewusste Sorben überwacht und in einigen Fällen vorübergehend in Haft genommen (z.B. Mina Witkojc). Der in Prag ansässige Lausitzisch-Sorbische Nationalausschuss (Łužisko-serbski narodny wuběrk) unter Führung von Pfarrer Jan Cyž und Jurij Cyž sah die Zukunft der Sorben zunächst tatsächlich in ihrer Anbindung an die Tschechoslowakei bzw. in staatlicher Unabhängigkeit und lehnte eine Zusammenarbeit mit deutschen Behörden grundsätzlich ab. Die Domowina setzte hingegen recht bald, zumal auch die Sowjetunion kein Interesse an einem von der SBZ getrennten Sorbengebiet hatte, auf den Verbleib in einem deutschen Staatswesen und ordnete sich ab März 1946 der politischen Linie der KPD unter; im Herbst 1946 stimmte sie der Vereinigung von SPD und KPD zur SED und der Aufstellung einheitlicher Wahllisten zu.

Der Konflikt zwischen den beiden sich als Vertreter des sorbischen Volkes betrachtenden Organisationen führte im Dezember 1946 dazu, dass zum Allslawischen Kongress in Belgrad zwei sorbische Delegationen anreisten. Auch darüber hinaus standen die Sorben in den vier Jahren bis zur Gründung der DDR in regem Kontakt mit anderen slawischen Ländern, nicht nur mit Polen und der Tschechoslowakei. Auf der Schadźowanka 1946, einer regelmäßig stattfindenden Zusammenkunft sorbischer Studenten, lud ein Vertreter der jugoslawischen Militärmission die Brigaden der Sorbischen Jugend (Serbska młodźina) auf den Balkan ein. Jugoslawien war zu dieser Zeit der einzige verbliebene Staat, der die Forderungen der Sorben nach politischer Autonomie offen unterstützte. Die Jugendorganisation unter Führung von Jurij Brězan war zu diesem Zeitpunkt noch unabhängig und nicht in den Weltbund der Demokratischen Jugend eingebunden. Nach dem Bruch der Beziehungen zwischen Moskau und Belgrad fanden keine weiteren Besuche statt. Die Sorbische Jugend wurde im Dezember 1948 in die FDJ eingegliedert.

Die Flüchtlingsströme von vertriebenen Deutschen aus Schlesien, dem Sudetenland und anderen ehemals deutsch besiedelten Gebieten setzten das sorbische Siedlungsgebiet unter starken Druck. War Sachsen zunächst nur Durchgangsgebiet für Flüchtlinge, wurde es von der sowjetischen Administration im März 1946 zum Siedlungsgebiet erklärt. Laut einer Statistik der Domowina waren viele vormals sorbische Dörfer binnen kurzem zu mehr als 20, manche sogar zu mehr als 50 Prozent von deutschsprachigen Flüchtlingen bewohnt.<ref>„Sorbenstatistik 1946“, zusammengestellt durch die Domowina, in: Sorbisches Kulturarchiv im Sorbischen Institut Bautzen, MS/XVIII3</ref> In der Folge wurden vor allem im evangelischen Teil des sorbischen Gebietes in zahlreichen Orten die sorbischen Gottesdienste durch deutsche ersetzt; Sorbisch wurde von der Alltags- zur Privatsprache. In den katholischen Gemeinden wurden die meisten Zugezogenen dagegen durch die Sorben assimiliert.

Im Mai 1947 wurde der Domowina von den sowjetischen Behörden die Einrichtung einer sorbischen Druckerei erlaubt; im Oktober wurde sie schließlich als alleinige Interessenvertreterin der Sorben anerkannt. Somit bewegte sich die sorbische Bewegung immer weiter auf die Linie der SED zu. Bei einem Treffen zwischen der Domowina-Führung unter Pawoł Nedo und den SED-Vorsitzenden Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck wurden beinahe alle Vorschläge der Domowina, darunter die Schaffung einer Verwaltungseinheit Lausitz und die Anerkennung der Sorben als Volk, abgelehnt. Die Lausitz blieb weiterhin geteilt und den Sorben wurde lediglich der Status eines „Volksteils“ zuerkannt.

Am 23. März 1948 wurde vom Sächsischen Landtag das „Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung“ verabschiedet, das erstmals den Anspruch der Sorben auf Förderung ihrer Sprache und Kultur festschrieb. 1950 wurde es durch Verordnung auch im Land Brandenburg eingeführt, nachdem die Domowina dort erst ein Jahr zuvor auf massiven Druck der sowjetischen Administration und der Berliner SED-Führung hin ihre Arbeit wieder hatte aufnehmen dürfen.

Die DDR-Zeit

In den frühen 50er Jahren wurde die Eingliederung der Sorben in den sozialistischen Staatsapparat weiter vorangetrieben. Der bisherige Domowina-Vorsitzende Nedo hatte sich der Hinwendung zum Marxismus-Leninismus zwar nicht offen in den Weg gestellt, aber immer wieder auch die nationalen Rechte des sorbischen Volkes angemahnt. Er wurde im Dezember 1950 durch Kurt Krjeńc, einen Altkommunisten, ersetzt, der die Domowina in den folgenden Jahren zu einer Satellitenorganisation der SED umbaute, deren Kernaufgabe nicht mehr der Erhalt und die Förderung sorbischer Kultur, sondern die Eingliederung der Sorben in den Sozialismus war. In der Geschichtsschreibung wurde besonders die Rolle der „sorbischen Werktätigen“ betont, jene anderer Gruppen, z.B. die der für die nationale Bewegung wichtigen Geistlichen und Kleinbürger, dagegen heruntergespielt. Dennoch blieb die sorbische Dachorganisation unter strenger Beobachtung durch das Ministerium für Staatssicherheit; es war die Rede von „nationalistischen und titoistischen Umtrieben“.<ref>„Nationalistische und titoistische Umtriebe unter den Sorben“, Memorandum von Erich Mielke, Direktive Nr. 4/51, 13. Dezember 1951, BStU, MfS GVS 42/51</ref> Persönlichkeiten wie Pawoł Nowotny (Leiter des Instituts für sorbische Volksforschung) und Pawoł Nedo, aber auch bekennende Kommunisten wie Jurij Brězan standen wegen möglicher „antistaatlicher Aktivitäten“ unter Überwachung. Bis in die 70er Jahre hinein wurden verschiedene sorbische Persönlichkeiten wegen ihres Protests gegen die Ausweitung der Tagebaue und den Bau von Großkraftwerken in der Lausitz oder gegen die Einrichtung von LPGen im sorbischen Gebiet, sowie später wegen verdächtiger Kontakte zur tschechoslowakischen Intelligenz überwacht und in Einzelfällen inhaftiert.

Eine Rolle spielten die Sorben auch im Prozess der Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik durch Jugoslawien in den fünfziger Jahren (in dessen Folge die Bundesrepublik Deutschland die Beziehungen zu Jugoslawien aufgrund des Alleinvertretungsanspruchs der BRD abbrach). Die DDR entsprach damals der Forderung Josip Broz Titos, in der einzurichtenden Botschaft in Belgrad einen bestimmten Prozentsatz an sorbischen Mitarbeitern zu beschäftigen. So wurde unter anderem ein Sorbe zum Chefdolmetscher der Botschaft ernannt. Kurze Zeit nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen am 15. Oktober 1957 wurden diese allerdings wieder zurückgerufen.<ref>Bericht in „Wuhladko“, Sendung Nr. 100 vom 10. April 2010</ref>

Offiziell wurde das sorbische Volk in Artikel 40 der DDR-Verfassung von 1968 als nationale Minderheit anerkannt. Für die Berücksichtigung der sorbischen Interessen wurden in den jeweiligen DDR-Ministerien Abteilungen für die sorbischen Belange eingerichtet (z. B. Kultur und Innenpolitik) und staatliche wissenschaftliche Institutionen (Neu: Institut für sorbische Volksforschung; Wiedereinrichtung: Institut für Sorabistik an der Universität Leipzig) geschaffen. Um eine Gleichstellung der sorbischen Bevölkerung zu sichern, wurden verschiedene juristische Regelungen erlassen. So wurde der sorbische Schulunterricht und die zweisprachige Beschriftung von öffentlichen Einrichtungen und Straßenschildern im deutsch-sorbischen Gebiet eingeführt.

Trotzdem war die offizielle Politik gegenüber den Sorben weiter von ideologischer Bevormundung und Kontrolle geprägt, wenngleich eine gewisse Eigenständigkeit gewahrt bleiben konnte. Im Vergleich mit nationalen Minderheiten anderer Länder konnten sich hier die sorbische Kultur und die Wissenschaft in einer überdurchschnittlichen Breite entwickeln. Dennoch vollzog sich der Rückgang des Sorbischen als Alltagssprache so schnell wie selten zuvor. Dafür gab es neben der allgemeinen Tendenz zur Assimilation auch zahlreiche politische Gründe: Sowohl das zunächst ambitionierte Bildungsprogramm als auch die praktische Unterstützung der Zweisprachigkeit durch offizielle Stellen wurden bereits ab 1958 nach dem Rücktritt von Fred Oelßner schrittweise wieder zurückgenommen. An den neu eingerichteten A-Schulen (Schulen mit sorbischer Unterrichtssprache) wurden naturwissenschaftliche Fächer ab 1962 wieder auf Deutsch gelehrt; die Losung „Die Lausitz wird zweisprachig“ war bereits mit Fred Oelßner aus der Öffentlichkeit verschwunden. Auf Druck vor allem der zugezogenen Energiearbeiter wurde schließlich 1964 auch der sorbische Fremdsprachunterricht in den B-Schulen fakultativ. Lernten 1962 noch 12.800 Schüler Sorbisch, waren es Ende 1964 nur noch 3200, Ende der 60er Jahre sogar weniger als 3000. Die Schülerzahl in A-Schulen blieb dagegen nahezu konstant.<ref>Peter Barker: „Sorbische Interessen, die DDR und der kalte Krieg (1945–1971)“, in: Lětopis 56 (2009) 2, S. 29–43, Ludowe nakładnistwo Domowina, Budyšin 2010</ref>

Die Kollektivierung der Landwirtschaft zerstörte mit den traditionellen Familienhöfen den einzigen Wirtschaftszweig, in dem Sorbisch noch Alltagssprache war. Die Einrichtung von rein sorbischen LPGen wurde abgelehnt; in der Praxis wurden mehrheitlich sorbische Genossenschaften meist von Deutschen geleitet. Ebenso abgelehnt wurde die vorgeschlagene Einrichtung von sorbischen Brigaden in den Lausitzer Kohlekraftwerken. Über vorhandene Probleme zwischen Deutschen und Sorben konnte nicht offen diskutiert werden, da eine Kritik an der DDR-Nationalitätenpolitik und eine Thematisierung der Unterschiede zwischen staatlichem Ideal und der in langer Tradition wurzelnden latenten Sorbenfeindlichkeit nicht erwünscht war.<ref>Martin Walde: Katholisches versus evangelisches Milieu bei den Sorben. In: Lětopis. Band 53, 2006, Heft 2, S. 15 ff., Ludowe nakładnistwo Domowina, Budyšin/Bautzen 2006</ref><ref>Peter Barker: Kirchenpolitik und ethnische Identität. In: Lětopis. Band 53, 2006, Heft 1, S. 52 ff., Ludowe nakładnistwo Domowina, Budyšin 2006.</ref>

Zudem erlitt die sorbische Kultur in der Zeit nach 1945 nachhaltige Schäden durch die kriegsbedingte Massenzuwanderung von deutschsprachigen Aussiedlern und später Facharbeitern, die Zerstörung weiter Gebiete durch den Braunkohletagebau, die Verstädterung sowie schließlich die angestrebte Entkirchlichung (die sorbische Identität wurde wesentlich über die religiöse Praxis gewahrt), der sich fast ausschließlich die katholischen Sorben zu widersetzen wussten.

Diese Rahmenbedingungen, denen sich die Domowina als Vertreterin der Sorben nicht entgegenstellen konnte, bei deren Durchsetzung sie allerdings auch eine aktive Rolle spielte, führten zu einem starken Rückgang der sorbischen Bevölkerung zwischen 1945 und 1990. Während die DDR offiziell immer von 100.000 Angehörigen des Volkes sprach, wies der Forscher Ernst Tschernik schon 1955 darauf hin, dass es vermutlich noch 80.000 Sorben gebe, mit stark sinkender Tendenz.<ref>Ernst Tschernik: „Die gegenwärtigen demographischen, volkskundlichen und sprachlichen Verhältnisse in der zweisprachigen sorbischen Lausitz“, Sorbisches Kulturarchiv XXXII, 22D</ref> Sein Bericht durfte nie veröffentlicht werden. Schon kurz nach der Wiedervereinigung korrigierte man jedoch die Schätzungen auf 40.000 bis 60.000. Es ist also davon auszugehen, dass sich die Zahl der Sorben während der DDR-Zeit halbiert hat.

Erst 1987 nahm die Domowina wieder Kontakt zu den sorbischen Geistlichen beider Konfessionen auf, nachdem ihr Erster Sekretär hatte zugeben müssen, dass etwa die Hälfte der Mitglieder Protestanten und 20 Prozent Katholiken sind. Die jahrzehntelange Periode, während der viele – vor allem gläubige – Sorben die „rote Domowina“ als „Verräterin der sorbischen Interessen“ betrachtet hatten, hinterließ jedoch Spuren in ihrer öffentlichen Wahrnehmung und führte nach der Wiedervereinigung zu einem massiven Mitgliederschwund.<ref>Ludwig Elle: Ideologie und Domowina in der DDR. In: Lětopis Band 57, 2010, Heft 1, S. 32–49, Ludowe nakładnistwo Domowina, Budyšin 2010.</ref>

Nach der Wiedervereinigung

Neue politische Rahmenbedingungen ergaben sich mit dem Ende der DDR auch für die Sorben. Die Domowina sprach sich in einer Erklärung im März 1990 für die deutsche Einheit aus. Im selben Jahr eröffnete auch das Wendische Haus in Cottbus. 1991 konstituierte sich die Domowina nach demokratischen Prinzipien neu. Als gemeinsames staatliches Instrument des Bundes und der beiden Länder Brandenburg und Sachsen wurde die Stiftung für das sorbische Volk (Załožba za serbski lud) ebenfalls 1991 eingerichtet.

Nach der Jahrtausendwende kam es wiederholt zu Protestaktionen der sorbischen Bevölkerung, unter anderem gegen die Schließung der Sorbischen Mittelschule in Crostwitz (2001) oder die Kürzungspläne von Bundesregierung und brandenburgischer Landesregierung bei der Förderung der sorbischen Bildung, Kultur und Wissenschaft (2008). Im Jahr 2009 erregte ein Gutachten des Instituts für kulturelle Infrastruktur unter Leitung von Matthias Theodor Vogt die Gemüter, in dem eine teils radikale Umstrukturierung der sorbischen Institutionen, unter anderem auch die Schaffung eines sorbischen Parlaments, angeregt wurde.

Bis heute sind durch den Braunkohleabbau des Konzerns Vattenfall Europe Dörfer im sorbischen Siedlungsgebiet von Zwangsumsiedlung betroffen oder bedroht, so zum Beispiel die Ortschaften Rohne und Mulkwitz der Gemeinde Schleife, sorbische Orte mit eigenem Dialekt und Brauchtum.<ref>Internetseite der von der Teilortsumsiedlung Rohne / Mulkwitz betroffenen Bürger. Abgerufen am 31. August 2012.</ref> Nach Plänen der brandenburgischen und sächsischen Landesregierung soll die Braunkohle auch weiterhin Vorrang genießen.<ref>Facharbeitskreis Braunkohle der GRÜNEN LIGA. GRÜNE LIGA Umweltgruppe Cottbus, abgerufen am 31. August 2012</ref>

Im Mai 2008 wurde mit Stanislaw Tillich zum ersten Mal ein Sorbe Regierungschef Sachsens. Am 30. August 2009 wurde er in den Landtagswahlen bestätigt.

Symbole der Sorben

Datei:Bundesarchiv Bild 183-U1026-504, Spreefurt, Kongress der sorbischen Arbeitsbrigaden.jpg
Zeigen der Flagge beim Kongress der sorbischen Arbeitsbrigaden vom 19. bis 22. August 1948 in Uhyst (Spree)

Eine Flagge der Sorben wurde zuerst 1842 erwähnt. Nach dem Panslawischen Kongress, der 1848 in Prag stattfand, erhielt sie ihre heutige Farbgebung. Die Flagge der Sorben wurde von den Nationalsozialisten 1935 verboten, seit dem 17. Mai 1945 aber wieder offiziell von der Domowina verwendet. In den Flaggengesetzen der Deutschen Demokratischen Republik wurde die Sorbenflagge nicht erwähnt, in Verordnungen der Räte der Bezirke Cottbus und Dresden wurde jedoch ihre Verwendung für besondere Anlässe und Feiertage reguliert.

Die sorbische Hymne ist das Lied „Rjana Łužica(„Schöne Lausitz“), welches auf ein 1845 von Korla Awgust Kocor vertontes Gedicht Handrij Zejlers zurückgeht.

In der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie im Sorben (Wenden)-Gesetz (SWG) des Landes Brandenburg ist heute geregelt, dass die sorbische Hymne und die sorbische Flagge gleichberechtigt neben staatlichen Symbolen geführt werden können.

Rechte der Sorben in Deutschland

Die Bundesrepublik Deutschland und die damalige DDR sprachen sich im Einigungsvertrag für eine Bestandssicherung der Sorben aus.

Einigungsvertrag – Protokollnotiz (Nr. 14) zum Artikel 35:
„Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik erklären im Zusammenhang mit Artikel 35 des Vertrags:
  1. Das Bekenntnis zum sorbischen Volkstum und zur sorbischen Kultur ist frei.
  2. Die Bewahrung und Fortentwicklung der sorbischen Kultur und der sorbischen Traditionen werden gewährleistet.
  3. Angehörige des sorbischen Volkes und ihre Organisationen haben die Freiheit zur Pflege und zur Bewahrung der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben.
  4. Die grundgesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern bleibt unberührt.“

Die Rechte der Minderheit der Sorben sind verfassungsrechtlich in den Landesverfassungen von Brandenburg und Sachsen, sowie im Gerichtsverfassungsgesetz verankert. So garantiert die Verfassung des Landes Brandenburg in Artikel 25 (Rechte der Sorben [Wenden]) und die Verfassung des Freistaates Sachsen in Artikel 5 (Das Volk des Freistaates Sachsen) und Artikel 6 (Das sorbische Volk) das Recht auf Bewahrung ihrer nationalen Identität, Sprache, Religion und Kultur.

Die Ausgestaltung der Rechte regelt das Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) im Land Brandenburg (SWG)<ref>Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) im Land Brandenburg (Sorben[Wenden]-Gesetz – SWG) vom 7. Juli 1994 (GVBl. I S.294) (PDF)</ref> vom 7. Juli 1994 sowie das Gesetz über die Rechte der Sorben im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sorbengesetz – SächsSorbG)<ref>Gesetz über die Rechte der Sorben im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sorbengesetz – SächsSorbG) vom 31. März 1999, Rechtsbereinigt mit Stand vom 1. August 2008 (PDF)</ref> vom 31. März 1999. So wird unter anderem im angestammten Siedlungsgebiet die zweisprachige Beschriftung von Verkehrszeichen und die zweisprachige Beschilderung im öffentlichen Raum geregelt (SWG § 11 bzw. SächsSorbG § 10). Vom Grundsatz der deutschen Gerichtssprache schafft § 184 S. 1 Gerichtsverfassungsgesetz<ref>§ 184 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz, Stand: 19. April 2006</ref> für Sorben innerhalb der Heimatkreise der sorbischen Bevölkerung insoweit eine Ausnahme.

Sorben in Literatur, Film und Fernsehen

Literatur

Theodor Fontane beschreibt in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1862–1889) neben der Geschichte auch die Lebensweise, Sitten und die Tracht der Sorben in der Niederlausitz (Wenden). In Wilhelm Bölsches Gegenwartsroman Die Mittagsgöttin von 1891 sind die Schauplätze unter anderem im Spreewald im damaligen noch hauptsächlich Niedersorbisch sprechenden Dorf Lehde.<ref> Wilhelm Bölsche: Die Mittagsgöttin. Ein Roman aus dem Geisteskampfe der Gegenwart (1891). In: Gerd-Hermann Susen (Hrsg.): Wilhelm Bölsche, Werke und Briefe (Wissenschaftliche Ausgabe), Werke: Band 2. Weidler Buchverlag, Berlin 2005, ISBN 3-89693-236-5. Siehe auch: WEIDLER Buchverlag Berlin – Wilhelm Bölsche WERKE und BRIEFE. Abgerufen am 30. August 2012.</ref>

Film und Fernsehen

Der Animationsfilm Als es noch Wassermänner gab der DEFA beruht auf einem sorbischen Märchen und beschäftigt sich unter anderem mit sorbischen Hochzeitsbräuchen. Im ZDF wurde 2009 der Kriminalfilm Der Tote im Spreewald ausgestrahlt. Eine der Hauptfiguren ist der Sohn einer traditionsbewussten sorbischen Familie, der sich seinen kulturellen Wurzeln nicht verbunden fühlt. Mit dem Film wurde einem breiten Publikum die sorbische Kultur nähergebracht, wobei aber auch die Heimat- und Minderheiten-Problematik reflektiert wird.<ref>Andreas Thiemann: Extrem Düster: „Der Tote im Spreewald“ WAZ 25. Oktober 2009, abgerufen am 13. Juli 2015.</ref><ref>Der Tote im Spreewald in der Internet Movie Database (englisch)Vorlage:IMDb/Wartung/Verschiedene Kenner in Wikipedia und WikidataVorlage:IMDb/Wartung/Wikidata-Bezeichnung vom gesetzten Namen verschiedenVorlage:IMDb/Wartung/Wikidata-Bezeichnung vom Seitennamen verschiedenVorlage:IMDb/Wartung/Beschreibung ist zu lang</ref>

Das Minet – Minderheitenmagazin strahlte 2007 auf RAI 3 (Sender Bozen) eine Sendung über die Sorben mit dem Titel Die Sorben – ein slawisches Volk in Deutschland aus.<ref>Die Sorben – ein slawisches Volk in Deutschland. minetTV 2007, abgerufen am 30. August 2012.</ref> Radiotelevisiun Svizra Rumantscha hat im Rahmen der Serie Minderheiten in Europa ebenfalls im Jahre 2007 einen Film über die Sorben in Deutschland realisiert.<ref>Ils Sorbs en la Germania da l’ost – esser sorb è ina confessiun. RTR Radiotelevisiun Svizra Rumantscha 2007, abgerufen am 30. August 2012.</ref>

Siehe auch

  • Portal Portal: Lausitz – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Lausitz
    einschließlich sorbischer Themen.

Weblinks

Allgemein

Commons Commons: Sorben – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Sorbe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Forschung und Lehre

Medien

Literatur

  •  Joachim Bahlcke: Geschichte der Oberlausitz. Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. 2. Auflage. Leipziger Universitätsverlag, 2004, ISBN 3-935693-46-X.
  • Jan Brankačk, Frido Mětšk: Geschichte der Sorben, Bd. 1: Von den Anfängen bis 1789. In: Jan Šołta: Geschichte der Sorben: Gesamtdarstellung. VEB Domowina-Verlag, Bautzen 1977.
  • Jan Šołta, Hartmut Zwahr: Geschichte der Sorben, Bd. 2: Von 1789 bis 1917. In: Jan Šołta: Geschichte der Sorben: Gesamtdarstellung. VEB Domowina-Verlag, Bautzen 1974.
  • Karl-Markus Gauß: Die sterbenden Europäer. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2002, ISBN 978-3-423-30854-0.
  • Sabine Hinterhölzl: Die Sorben in der Lausitz. Das „slawische“ Deutschland. Saarbrücken 2010, ISBN 978-3-639-28473-7.
  • Peter Kunze: Kurze Geschichte der Sorben. Ein kulturhistorischer Überblick. 4. Auflage, Domowina Verlag GmbH, Bautzen 2008, ISBN 978-3-7420-1633-1.
  • Peter Kunze: Die Sorben/Wenden in der Niederlausitz. 2. Auflage, Domowina-Verlag GmbH, Bautzen 2000, ISBN 3-7420-1668-7.
  • Thomas Pastor: Die rechtliche Stellung der Sorben in Deutschland. Domowina-Verlag GmbH, Bautzen 1997, ISBN 3-7420-1717-9.
  • Jasper von Richthofen (Hrsg.): Besunzane – Milzener – Sorben. Die slawische Oberlausitz zwischen Polen, Deutschen und Tschechen. Schriftenreihe der Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur Görlitz N. F. Band 37, Görlitz, Zittau 2004, ISBN 978-3-932693-90-8.
  • Franz Schön und Dietrich Scholze (Hrsg.): Sorbisches Kulturlexikon. Domowina-Verlag GmbH, Bautzen 2014, ISBN 978-3-7420-2229-5.
  • Dietrich Scholze: Die Sorben in Deutschland. Sieben Kapitel Kulturgeschichte. Lusatia Verlag, Bautzen 1993, ISBN 3-929091-11-9.

Einzelnachweise

<references />