Semiotik


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Semiotik (altgriechisch σημεῖον sēmeĩonZeichen‘, ‚Signal‘), manchmal auch Zeichentheorie, ist die Wissenschaft, die sich mit Zeichensystemen aller Art befasst (z. B. Bilderschrift, Gestik, Formeln, Sprache, Verkehrszeichen). Sie ist die allgemeine Theorie vom Wesen, von der Entstehung (Semiose) und vom Gebrauch von Zeichen.

Die Semiotik ist ein Teilgebiet der philosophischen Erkenntnistheorie, der Wissenschaftstheorie und der Sprachphilosophie sowie der Sprachwissenschaft. Sie findet in verschiedenen Geistes-, Kultur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Anwendung.

Geschichte

Zwar wird über den Gegenstandsbereich der Semiotik seit der Antike debattiert, eine eigenständige Disziplin entwickelt sich aber erst mit den Studien von Charles Sanders Peirce ab Ende des 19. Jahrhunderts. Moderne Klassiker der Semiotik sind gleichzeitig oft Leitfiguren der strukturalistischen Linguistik und Philosophie, allen voran Ferdinand de Saussure und Roland Barthes. Diese bezeichnen ihre Zeichentheorien auch als „Semiologie“. Nach wie vor stehen sich unterschiedliche Ansätze gegenüber.

Vorgeschichte: Antike, Mittelalter und frühe Neuzeit

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Bereits bei den Vorsokratikern, Sophisten und Platon findet man semiotische Untersuchungen.<ref>Klaus Oehler: Idee und Grundriß der Peirceschen Semiotik, in: M. Krampen et al (Hg.): Die Welt als Zeichen, Berlin 1981, S. 17.</ref> Aristoteles hat sie in seinen logischen und rhetorischen Schriften zu einem ersten System der Semiotik zusammengefasst und erweitert. Er behandelt die Zeichen als eine Dreiecksbeziehung zwischen dem Zeichen selbst (dem gesprochenen Wort), dem Bezeichneten (einem Gegenstand) und einer Vorstellung in der Seele. Ein gesprochenes Wort wie „Tisch“ ruft nach Aristoteles in der Seele desjenigen, der dieses Wort hört oder spricht, die Vorstellung eines Tisches hervor. Diese Vorstellung steht in einer von Aristoteles nicht näher erläuterten Abbildbeziehung zum jeweils bezeichneten Gegenstand. Mündliche Zeichen (Worte) sind für Aristoteles vorrangig gegenüber schriftlichen Zeichen, da letztere nur auf mündliche Zeichen verweisen würden:

„Die gesprochenen Worte sind die Zeichen von Vorstellungen in der Seele und die geschriebenen Worte sind die Zeichen von gesprochenen Worten. So wie nun die Schriftzeichen nicht bei allen Menschen dieselben sind, so sind auch die Worte nicht bei allen Menschen dieselben; aber die Vorstellungen in der Rede, deren unmittelbare Zeichen die Worte sind, sind bei allen Menschen dieselben und eben so sind die Gegenstände überall dieselben, von welchen diese Vorstellungen die Abbilder sind.“

Aristoteles, Peri hermeneias, Erstes Kapitel

Wie später Peirce ordnet Aristoteles die Semiotik in die Logik (Organon) ein.

Der Ausdruck semeiotikon meros (semiotischer Teil) bezeichnet in der Medizin der Antike die Wissenschaft der Symptome und der Diagnostik (Galen, Pseudo-Galen) und findet in einigen stoischen Texten auch in erkenntnistheoretischen Zusammenhängen Verwendung. In lateinischen Übersetzungen von Galen wird semeiotikon meros wiedergegeben als pars semiotica.<ref>Venedig 1490, hier n. Meier-Oeser, l.c., 602</ref> Im Thesaurus graecae linguae von Henri Stephanus (1572 u.ö.) wird dafür Semeiotiké verwendet und dies erklärt als jener Teil der Medizin, welcher die Unterschiede und (Bezeichnungs-)Vermögen aller Zeichen behandelt.<ref>Pars est Medicinae, signorum omnium differentias et vires expendens, hier n. Meier-Oeser, l.c.</ref>

Zeichen- und Bedeutungslehren findet man auch bei den Stoikern, zum Beispiel bei Diogenes von Babylon. Ihm zufolge ist die Äußerung eines Menschen körperlich und wird durch die Vernunft artikuliert und ausgedrückt. Sie ist darin verschieden von den tierischen Lauten, die nur Luft sind, welche durch Instinkt hervorgebracht werden. Als verstehbare Rede (logos) gilt ihm eine Äußerung, welche etwas bedeutet.<ref>Vgl. Diogenes Laertius 7, 55f</ref>

Auch epikureische Philosophen wie Philodemos von Gadara (um 110–40 v.  Chr.) diskutieren Aspekte von Zeichen, Bedeutungen und deren Relationen, insbesondere analoge und induktive Relationen.

In der Scholastik wurde der Semiotik innerhalb der Logik ein hoher Stellenwert beigemessen. Als eines von vielen Beispielen kann man die Zeichenlehre von Petrus Hispanus heranziehen:<ref>Wiedergegeben nach Joseph M. Bochenski: Formale Logik, Karl Alber, Freiburg/München 1996 (5. Aufl.), S.175</ref> Das Gehör nimmt Laute wahr. Ein durch Lebewesen hervorgebrachter Laut ist Stimme, Glockengeräusche hingegen sind nicht Stimme. Artikulierbare Stimme (z. B. „Mensch“) kann im Gegensatz zu unartikulierbarer Stimme geschrieben werden. Die artikulierbare Stimme ist entweder sinnvoll (z. B. Mensch) oder sinnlos (z. B. „bu“, „ba“). Sinnvolle Stimme hat konventionelle Bedeutung (z. B. „Mensch“) oder natürliche Bedeutung (z. B. „das Jammern der Kranken“). Konventionelle Stimme ist entweder unzusammengesetzt (einzelne Wörter) oder zusammengesetzt (Sätze). Unzusammengesetzte Stimme sind z. B. das Verb und das Nomen, welches letztere entweder Allgemeines (z. B. „Mensch“) oder Individuelles (z. B. „Sokrates“) bedeutet. Im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit ist es zum Beispiel Nikolaus von Kues, der die Zeichenlehre als grundlegend für jede Erkenntnis darstellt, insbesondere für die Theologie.

Auch die scholastischen Diskussionen werden weitergeführt, beispielsweise bei Pedro da Fonseca (1528–1599). Der aus Lissabon stammende Theologe und Philosoph Johannes a S. Thomas (1589–1644), auch als Johannes Poinsot bezeichnet, entwickelt in seinem zweiten Hauptwerk Cursus philosophicus eine umfangreiche Semiotik, und zwar im zweiten (materiellen) Teil seiner Logik.<ref>Ediert nebst engl. Übers. In: Tractatus de signis. The semiotic of John Poinsot, translated and presented by J. N. Deely with R.A. Powell, Berkeley 1985. Einen Überblick zur jüngeren Forschungsdiskussion bietet Raul Corazzon: The Rediscovery of John Poinsot.</ref>

Auch John Locke spricht in seinem Essay concerning Humane Understanding von 1690 von einer Theorie der Zeichen, die er Semeiotike nennt.<ref>Kap. 21, Of the Division of the Sciences: 4. Semeiotike. Thirdly, the third branch may be called Semeiotike, or the doctrine of signs; the most usual whereof being words, it is aptly enough termed also Logike, logic: the business whereof is to consider the nature of signs, the mind makes use of for the understanding of things, or conveying its knowledge to others. For, since the things the mind contemplates are none of them, besides itself, present to the understanding, it is necessary that something else, as a sign or representation of the thing it considers, should be present to it: and these are ideas. And because the scene of ideas that makes one man's thoughts cannot be laid open to the immediate view of another, nor laid up anywhere but in the memory, a no very sure repository: therefore to communicate our thoughts to one another, as well as record them for our own use, signs of our ideas are also necessary: those which men have found most convenient, and therefore generally make use of, are articulate sounds. The consideration, then, of ideas and words as the great instruments of knowledge, makes no despicable part of their contemplation who would take a view of human knowledge in the whole extent of it. And perhaps if they were distinctly weighed, and duly considered, they would afford us another sort of logic and critic, than what we have been hitherto acquainted with.</ref>

Begriffsverwendung im 18. und 19. Jahrhundert

Im 18. und beginnendem 19. Jahrhundert wurde der Begriff Semiotik noch nicht in seiner heutigen umfassenden Bedeutung verwendet, sondern für die überwiegend als Hilfswissenschaft der Diplomatik (Urkundenwissenschaft) angesehene Zeichenkunde.<ref> (Hofrat) Feßmeier: Grundriß der historischen Hilfswissenschaften. Anton Weber (Buchhändler) – gedruckt bei Joseph Zängl (München), Landshut 1802, S. 73 (§ 77).</ref> Daneben findet sich in dieser Zeit auch eine Verwendung als medizinischer Fachbegriff.<ref> Karl Sundelin: Handbuch der praktischen Arzneiwissenschaft. Erster Band: Semiotik, Anton v. Haykul (Buchdrucker) und Mich. Lechner (Universitäts-Buchhändler), Wien 1830, S. 11 (bedeutet … die Darstellung und Kunde derjenigen äußerlichen, sinnlich wahrnehmbaren Merkmale, welche und als Zeichen, Kennzeichen gewisser sowohl körperlicher als geistiger Beschaffenheiten und Zustände dienen.).</ref>

20. Jahrhundert

Überblick

Eine Theorie sprachlicher und anderer Zeichen ist ein elementarer Bestandteil der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, in der unterschiedliche Ansätze ausgearbeitet und vertreten sind. Begründer der Semiotik im heutigen Sinne ist Charles Sanders Peirce. In seiner Nachfolge entwickelte Charles William Morris eine behavioristische Zeichentheorie, welche mit einer Unterscheidung von Syntaktik, Semantik und Pragmatik arbeitet. Strukturalistische Linguisten und Philosophen legen dagegen eine andersgeartete Methode zugrunde.<ref>Siehe Thomas Loyd Short: Peirce's Theory of Signs, Cambridge 2007, S.16: „…that Saussure's view is fundamentally different from and incompatible with Peirce's.“</ref> Ihre Vertreter sind:

Ferdinand de Saussure (1857–1913)

Die – weder eindeutige noch unumstrittene – Zeichentheorie de Saussures gilt als „grundlegend“ und „bedeutsam“ für die Entwicklung der modernen Semiotik (in Europa), genauer wohl für die sprachwissenschaftlichen (linguistischen) Zeichentheorien, die „praktisch alle“<ref name="Studienbuch Linguistik S. 30">Linke, Angelika; Markus Nussbaumer; Paul R. Portmann: Studienbuch Linguistik. – 5. Auflage. - Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2004, S. 30</ref> auf das bilaterale Zeichen im Sinne von de Saussure zurückgehen sollen.

De Saussure verwendet den Ausdruck Zeichen mehrdeutig, was auch zu verschiedenen Interpretationen Anlass gibt. Nach einer Lesart versteht de Saussure das Zeichen nur psychologisch,<ref>So wohl Busse, Dietrich: Semantik. W. Fink, Paderborn 2009 (UTB 3280), S. 27</ref> nach einer anderen Lesart nicht nur psychologisch.<ref>Linke, Angelika; Markus Nussbaumer; Paul R. Portmann: Studienbuch Linguistik. – 5. Auflage. - Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2004, S. 31</ref>

Für eine psychologische Interpretation spricht folgende Definition von de Saussure: „Das sprachliche Zeichen ist also etwas im Geist tatsächlich Vorhandenes, das zwei Seiten hat: …

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Semiotik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

<references />