Wehr (Wasserbau)
Ein Wehr, auch Stauwehr, Stauwerk, in der Schweiz, in Österreich und Süddeutschland auch Wuhr oder Werche<ref>Christian Rohr: Extreme Naturereignisse im Ostalpenraum, Naturerfahrung im Spätmittelalter und am Beginn der Neuzeit, Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien, 2007, ISBN 978-3-412-20042-8, Seite 355, teilweise einsehbar bei Google-Books</ref> genannt, ist im Wasserbau eine Stauanlage, die den Zufluss oder Abfluss eines Gewässers abschließt. Wehre können zeitweise überströmt oder durchströmt oder beides gleichzeitig sein. Sie werden häufig, aber nicht zwingend zusammen mit anderen Anlagen wie z. B. Wassermühlen, Wasserkraftwerken, Schleusen und Staudämmen errichtet und betrieben.
Der Bereich in tatsächlicher oder potentieller Gewässerfließrichtung unterhalb des Wehres wird als Unterwasser, der oberhalb als Oberwasser bezeichnet. Das überfallende Wasser fällt hinter dem Wehr in ein Tosbecken. Das Tosbecken kann durch eine Schwelle abgeschlossen werden, die der Stabilisierung des Wechselsprungs dient. Über großen festen Wehranlagen werden manchmal Flussbrücken errichtet. Eine kleinere Bauform des Wehrs ist die Stellfalle.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die ersten von Menschen gebauten Wehre gab es mit Beginn der Sesshaftwerdung in Mesopotamien, am Indus und am Nil schon vor etwa 5.000 Jahren; in den gemäßigten Zonen bauten Biber derartige Bach- oder Flussperren schon länger. Frühe Wehre wurden als leicht versetzbare Lehmdämme (später auch mit Holzbrettern) in Bewässerungskanälen angelegt; die späteren festen Wehre dienten meist der regulierten Zuleitung von Wasser für den Betrieb von Mühlen an Flüssen oder Bächen bzw. der Regulierung eines Kanals anderer Zweckbestimmung (Wasserversorgung, Bewässerung). Stauwehre konnten Gewässer mit geringer Tiefe schiffbar machen, stellten andererseits jedoch insbesondere für die Großschifffahrt erhebliche Hindernisse dar.
Verwendung
Grundsätzlich erhöhen Wehre das Niveau des Oberwassers um wenige Zentimeter bis um einige Meter und können damit verschiedenen Zwecken dienen (oft auch mehreren Zwecken gleichzeitig):
- Verhinderung des Absenken des Grundwassers, dadurch dass sich Bäche durch Abtragung stetig tiefer in ihr Bett eingraben.
- Versorgung eines oberhalb des Wehres abzweigenden Kanals für das Betreiben von Schifffahrt oder für Bewässerungszwecke der Landwirtschaft
- Schiffbarmachung des Oberwassers (dann in aller Regel in Kombination mit einer Schleuse, die die Umfahrung des Wehrs ermöglicht)
- Energiegewinnung (Mühle, Wasserkraftwerk; die Kraftanlage kann an einem abgeleiteten Kanal oder direkt in der Staustufe liegen: Flusskraftwerk, Laufwasserkraftwerk)
- Beeinflussung der Fließdynamik in einem Gewässersystem: Regulierwehr (Beispiel: Regulierwehr Port)
- Stabilisierung der Sohle des Fließgewässers (Stützwehr)
- Bereitstellung von Brauchwasser für die Industrie
- Bereitstellung von Trinkwasser
- Landschaftsschutz: Stabilisierung des Grundwasserstandes, Erhalt der Wassertiefe, Reinigung des Flusswassers
- Vorhaltung für Löschwasserreserven
- Durchflussmessung eines Fließgewässers mittels einer Wehrplatte
- Schaffung von Retentionsvolumen und Schwallspülungen in Stauraumkanälen in Form von Kaskadenwehren
- Steuerung von Abwasserströmen und Entlastungen von Mischwasser in der Siedlungswasserwirtschaft mit Hilfe von Entlastungswehren
- Fischfang im Fischwehr
Als Stauziel wird dabei der vorgeschriebene Wasserstand im Oberwasser bezeichnet, der entsprechend der Zweckbestimmung des Wehres für den Regelbetrieb angestrebt wird und der mit Rücksicht auf am Oberlauf des Gewässers liegende Wassernutzer nicht überschritten werden darf. Kurzzeitige Überschreitungen sind jedoch in Ausnahmesituationen (z. B. bei Hochwasser) nicht immer zu vermeiden. Das Höchste Stauziel stellt die maximale Wasserspiegelhöhe beim Bemessungshochwasserabfluss dar. Die Wasserstandsbestimmung erfolgt mit einem Pegel.
Messwehr
Messwehre dienen zur Durchflussmessung eines Fließgewässers mittels einer Wehrplatte
- Thomsonwehr (Dreieckswehr)
- Plattenwehr
- Rechteckwehr
- Cipolettiwehr
Bauformen
Feste Wehre
Wehr mit Staukörper ohne Verschluss
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Grundwehr (Breitkammwehr)
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Bewegliche Wehre
Bei beweglichen Wehren lassen sich im Bedarfsfall die Verschlüsse zum Teil oder ganz beseitigen.
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Bewegliche Wehre mit überströmbaren Verschlüssen
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Klappenwehr (Gegendruckklappen – auch Gegengewichtsklappen)
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Dachwehr (Doppelklappenwehr, Bärenfalle)
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Bewegliche Wehre mit unterströmbaren Verschlüssen
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Bestandteile
Heute enthalten Wehre meist zumindest teilweise bewegliche Elemente (sogenannte Schütze), mit denen eine dynamische Abflussregulierung möglich ist. Moderne Wehre enthalten auch häufig einen Fischpass, ein Wehrsteg, eine Bootspassage oder gar einen Fisch-Kanu-Pass.
Literatur
- Wehr. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 16, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/ Wien 1885–1892, S. 474.
- Lueger: Lexikon der gesamten Technik. Stichwort Stauanlagen Online-Auszug
- Jürgen Giesecke, Emil Mosonyi, Stephan Heimerl: Wasserkraftanlagen: Planung, Bau und Betrieb, Springer Berlin, 2009, ISBN 3540889884
- Kurt Lecher; Hans-Peter Lühr; Ulrich C. E. Zanke: Taschenbuch der Wasserwirtschaft, Vieweg+Teubner; Auflage: 8., 2001, ISBN 3528025808
- Theodor Strobl, Franz Zunic: Handbuch Wasserbau, Springer, 2006, ISBN 3-540-22300-2
Weblinks
Einzelnachweise
<references />