Römisches Bürgerrecht


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Das römische Bürgerrecht (lateinisch civitas Romana) war in der Antike zunächst das Bürgerrecht der Einwohner der Stadt Rom. Als diese ihren Herrschaftsbereich immer weiter ausdehnte, wurde das Bürgerrecht im Römischen Reich auch an weitere Personen(-Gruppen) verliehen.

Das Bürgerrecht war Voraussetzung für das aktive und passive Wahlrecht der freien Männer in den Volksversammlungen. Es war (zumindest während der Republik) prinzipiell mit einer Verpflichtung zum Kriegsdienst verbunden, erlaubte das Tragen der Toga und beinhaltete eine Reihe weiterer Privilegien.

Rechte und Pflichten

Die Rechte und Pflichten eines Bürgers variierten mit der Zeit, fielen allerdings auch durch die Herkunft und Laufbahn innerhalb des Staates unterschiedlich aus. Es lassen sich folgende Rechte und Pflichten zusammenfassen:

  • Ius suffragiorum, das Recht, in den Volksversammlungen zu wählen (aktives Wahlrecht);
  • Ius honorum, die Wählbarkeit zu Staatsämtern (passives Wahlrecht);
  • Ius commercii, das Recht, Geschäftsverträge abzuschließen und durch Geschäfte oder Erbschaft Eigentum zu erwerben;
  • Ius gentium, das Recht, mit Ausländern Verträge abschließen zu dürfen;
  • Ius conubii, das Recht, einen römischen Bürger rechtswirksam heiraten und damit als Pater familias agieren zu dürfen. Mit diesem Recht wird außerdem das römische Bürgerrecht an alle Kinder aus solchen Ehen garantiert;
  • Ius migrationis, das Recht, die Stufe des Bürgerrechts bei Umzug behalten zu dürfen. Dies erklärt sich daraus, dass verschiedene Städte des Imperiums unterschiedliche Bürgerrechte hatten. Ein römischer Bürger behielt das römische Bürgerrecht auch bei Umzug in eine Stadt mit weniger Bürgerrechten;

außerdem das Recht

  • keine lokalen Steuern entrichten zu müssen und die Immunität gegen bestimmte lokale Gesetze;
  • vor Gericht klagen zu dürfen. Im Gegenzug konnte der Bürger allerdings auch angeklagt werden;
  • auf ein ordentliches Gerichtsverfahren mit dem Recht, sich selbst zu verteidigen;
  • vor Magistraten oder lokalen Gerichten klagen zu dürfen;
  • auf besondere Bestrafung, d. h. römische Bürger durften nicht gefoltert und auch nicht zum Tode verurteilt werden, außer bei Hochverrat (perduellio);
  • bei Anklage auf Hochverrat vor dem Kaiser zu intervenieren;

sowie

  • die Pflicht bzw. das Recht, in der Legion zu dienen.

Verleihung

Bürgerrechte wurden im Reich normalerweise durch Geburt (also als Sohn eines römischen Bürgers) oder durch Verleihung vergeben.

Bei der Eroberung neuer Gebiete gab es während der römischen Republik verschiedene Möglichkeiten, mit besiegten Gemeinden umzugehen:

  • Feindliche Einverleibung der Gebiete, wobei die Bevölkerung vertrieben oder versklavt wurde;
  • Vertragsschluss zwischen Siegern und Besiegten, wobei Rom faktisch bei theoretischer Gleichrangigkeit der Vertragspartner dominierte, die besiegte Gemeinde blieb formal unabhängig;
  • Civitates sine suffragio, also die Verleihung eines eingeschränkten Bürgerrechts ohne Wahlrecht, aber mit Kriegsdienstpflicht, die mit einer Beteiligung an der Kriegsbeute beglichen wurde (in der Regel erhielt die Oberschicht dieser Gemeinden das volle römische Bürgerrecht), sowie die
  • Inkorporierung, also die Integration der Einwohner in das römische Staatswesen mit aktiven und passivem Wahlrecht und mit der Pflicht zum Kriegsdienst.
Datei:Museum Quintana - Militärdiplom 1.jpg
Fragment eines Militärdiploms um 160 n. Chr. und der Gewährung des römischen Bürgerrechts als ehemaliger Soldat der Kohorte V Bracaraugustanorum. Aus dem Museum Quintana (Künzing)

Jene Gemeinwesen im Machtbereich Roms, die nicht das volle römische Bürgerrecht besaßen, bemühten sich in der Regel früh darum, es zu erhalten; im Falle des Bundesgenossenkrieges strebten sie dieses Ziel sogar mit Gewalt an. Im Verlauf der Zeit stieg auch außerhalb Italiens die Zahl der Orte mit römischem Bürgerrecht.

Individuen konnten das Bürgerrecht ebenfalls erwerben; insbesondere durch Fürsprache eines einflussreichen Römers, die oft durch hohe Summen erkauft wurde, oder durch den Dienst in den römischen Hilfstruppen (siehe Militärdiplom). Im Verlauf der späten Republik, insbesondere aber in der Kaiserzeit sorgte dann vor allem eine Besonderheit des römischen Zivilrechts dafür, dass sich der Kreis der Bürger rasch ausweitete: Jeder Sklave, der einem römischen Bürger gehörte und von diesem freigelassen wurde, erhielt durch diesen Akt automatisch ein eingeschränktes Bürgerrecht; bereits seine freigeborenen Kinder besaßen dann das uneingeschränkte Bürgerrecht. Da die Zahl der Sklaven im Imperium Romanum in die Millionen ging, es aber gleichzeitig üblich war, Privatsklaven beim Tod ihres Herren oder zu ihrem 30. Geburtstag die Freiheit zu schenken, führte dies vor allem während der ersten beiden Jahrhunderte nach Christus zu einer erheblichen Ausweitung der römischen Bürgerschaft.

Zuordnung zum Patronym

Um den römischen Bürger zu kennzeichnen, verwendete man den römischen Namen. Er bestand aus einem Vor- und einem Familiennamen, teilweise ergänzt durch ein oder zwei Beinamen (Cognomen und Agnomen), in offiziellen Inschriften und Dokumenten fügte man noch den Tribus sowie den Vaternamen, z. B. Marci filius (= Sohn des Marcus), hinzu. Dies unterschied ihn von einem Freigelassenen, welcher den Vornamen seines ehemaligen Herrn mit dem Zusatz libertus trug, und den anderen Reichsbewohnern, welche ihr eigenes Namenssystem hatten und bei Erhalt des römischen Bürgerrechts einen Namen nach dem Muster der Freigelassenen annahmen, mit dem Namen des amtierenden Herrscher anstelles des eines ehemaligen Herrn.

Der römische Vatername wurde dem Familiennamen nach- und dem Beinamen vorangestellt (z. B. Marcus Tullius Marci libertus Tiro). Das römische Vaternamenssystem, welches ohnehin nur nebenbei benutzt wurde, verschwand im Jahr 212 n. Chr., als Kaiser Caracalla mit der Constitutio Antoniniana das römische Bürgerrecht an fast alle Reichsbewohner verlieh. Seine Funktion, römische Bürger von den Freigelassenen und anderen Reichsbewohnern zu unterscheiden, war nun überflüssig geworden.

Beurkundung im Römischen Reich, Beurkundung des Bürgerrechts

Im Imperium Romanum genossen neben den Urkunden der staatlichen Autoritäten auch Urkunden öffentlicher Schreiber (Tabellionen) und Urkunden, die in den Rollen der Gemeinden verzeichnet waren (gesta municipalia), öffentliche Glaubwürdigkeit.

Eine typische Form der Gestaltung von privaten Urkunden in der römischen Antike waren doppelt geschriebene Urkundentexte: Eine Version des Textes schrieb man innen auf Wachstafeln oder Papyrus hinter Siegeln verschlossen, eine andere – meist knappere – außen auf den Schriftträger. Solange die Siegel nicht zerstört waren, konnte die Richtigkeit des äußeren Textes jederzeit anhand des inneren Texts überprüft werden. In der antiken römischen Gesellschaft wurde die Schriftlichkeit und die Unterschrift unter den Urkundentext allgemein als hoch eingeschätzt. Seit der Zeit des Kaisers Augustus werden Geburtsregister geführt, hier muss jedes eheliche Kind vermerkt werden. Seit Marcus Aurelius gilt dies auch für Kinder aus nicht-ehelichen Beziehungen; gefordert wurde eine Frist von 30 Tagen zu deren Erfassung. Die Erfassung erfolgte vor einem Magistrat in einem Tabularium.<ref>Martin Hengel, Ulrich Heckel: Paulus und das antike Judentum: Tübingen-Durham-Symposium im Gedenken an den 50. Todestag Adolf Schlatters (19. Mai 1938). (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. Band 58). Mohr Siebeck, Tübingen 1991, ISBN 3-16-145795-1, Fussnote S. 194–195.</ref> Aus diesem Register, professio liberorum wiederum werden nun die testationes als Ausweise erstellt. Sie enthalten den Namen des Kindes, Geschlecht und dessen Eltern, des Tribus, das Geburtsdatum und -ort und eine Aussage zum Status als römischer Bürger.<ref>Max Kaser: Das römische Privatrecht: Abschnitt. Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht. Handbuch der Altertumswissenschaft: Abteilung 10, Rechtsgeschichte des Altertum, C.H.Beck, München 1971, ISBN 3-406-01406-2, S. 273.</ref>

Geschichte

Im Zuge der Errichtung von coloniae während der Eroberung Italiens wurde neben dem römischen Bürgerrecht früh ein neues Bürgerrecht geschaffen, das so genannte latinische Bürgerrecht. An der Frage des gleichberechtigten Bürgerrechts für Bundesgenossen entzündete sich gegen Ende der Republik der Bundesgenossenkrieg (91–88 v. Chr.), der durch die Lex Plautia Papiria beendet wurde, die nahezu allen Bewohnern Italiens südlich des Po (mit Ausnahme von Frauen und Sklaven) das römische Bürgerrecht verlieh. Gaius Iulius Caesar weitete das römische Bürgergebiet dann vier Jahrzehnte später bis an den Alpenrand aus.

Persönlich freie Bewohner der römischen Provinzen blieben dagegen auch nach dem Bundesgenossenkrieg und am Anfang der römischen Kaiserzeit – juristisch gesehen – „Fremde“ (peregrini) oder „Bundesgenossen“ (socii); sie besaßen nur das Bürgerrecht ihrer jeweiligen Heimatgemeinde, nicht das der Stadt Rom. Damit hatten sie einen deutlich schlechteren Rechtsstatus inne als ein römischer Bürger. Sie unterlagen einer weitaus härteren Rechtsprechung, mussten (mehr) Steuern zahlen, durften nicht in den Legionärsdienst eintreten, hatten kein Wahlrecht in Rom (wenngleich dies in der Kaiserzeit ohnehin bald jede praktische Bedeutung verlor) und konnten nicht in den Ritter- oder Senatorenstand aufsteigen. Bemerkenswerterweise scheint man erst im 2. Jahrhundert „Standesämter“ in den Provinzhauptstädten eingerichtet zu haben, die offizielle Listen mit den Inhabern des römischen Bürgerrechts führten.<ref>Die als Quelle nicht unproblematische Historia Augusta schreibt diese Maßnahme Kaiser Mark Aurel (161 bis 180) zu; vgl. Historia Augusta, Marcus 9, 7.</ref> Glücklich konnten sich jene Orte schätzen, die, wie zum Beispiel das spätere Köln, in den Rang einer colonia erhoben wurden, womit allen freien Bürgern zugleich auch das Bürgerrecht der Stadt Rom zuteilwurde.

Im Lauf der römischen Kaiserzeit erhielten immer mehr Personen und Personengruppen das römische Bürgerrecht (s. o.), bis es durch die Constitutio Antoniniana des Jahres 212 n. Chr. fast allen freien Reichsbewohnern verliehen wurde und in der Folgezeit als soziales und rechtliches Merkmal der Abgrenzung weitgehend seine Bedeutung verlor.<ref>Vgl. Géza Alföldy: Die römische Gesellschaft. Ausgewählte Beiträge (= Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien. Band 1). Steiner-Verlag-Wiesbaden-GmbH, Stuttgart 1986, ISBN 3-515-04610-0, S. 282.</ref>

Literatur

  • Altay Coşkun: Großzügige Praxis der Bürgerrechtsvergabe in Rom? Zwischen Mythos und Wirklichkeit (= Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse. 2009, 1). Steiner u. a., Stuttgart 2009, ISBN 978-3-515-09350-7.
  • Ralph W. Mathisen: Peregrini, Barbari, and Cives Romani: Concepts of Citizenship and the Legal Identity of Barbarians in the Late Roman Empire. In: American Historical Review. Bd, 111, Nr. 4, 2006, S. 1011–1040, doi:10.1086/ahr.111.4.1011.
  • A. N. Sherwin-White: The Roman citizenship. 2. Auflage. Clarendon Press, Oxford 1973, ISBN 0-19-814813-5.

Einzelnachweise

<references />