Gerhard Kaiser (Germanist)


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Gerhard Kaiser (2009)

Gerhard Kaiser (* 2. September 1927 in Tannroda bei Weimar; † 2. August 2012 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Germanist und lehrte 1966 bis 1990 neuere deutsche Literaturgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in Freiburg im Breisgau.

Leben

Nach einer Ausbildung im Bereich von Theater und Schauspiel studierte Kaiser ab 1949 Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin. 1950 verließ er die DDR als politischer Flüchtling und vervollständigte seine Studien in München. Er promovierte 1956 bei Franz Schnabel im Fach Geschichte und wechselte dann in die Germanistik (Habilitation 1962 bei Friedrich-Wilhelm Wentzlaff-Eggebert in Mainz). 1963 erhielt er eine Professur für Neuere deutsche Literaturgeschichte in Saarbrücken und folgte 1966 einem Ruf nach Freiburg im Breisgau an die Albert-Ludwigs-Universität, wo er trotz zahlreicher anderweitiger Berufungen bis 1990, als er sich vorzeitig in den Ruhestand versetzen ließ, blieb. 2004/5 nahm er eine Stiftungsprofessur in Basel wahr.

Kaiser war ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und korrespondierendes Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Dr. h.c. der Universität Lüttich und Dr. h.c. der Ev.-Theol. Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Im Jahr 2001 erhielt er die Goldene Goethe-Medaille der Goethe-Gesellschaft Weimar.

Gerhard Kaiser verstarb am 2. August 2012, kurz vor Vollendung des 85. Lebensjahrs, nach langer schwerer Krankheit.<ref>Achim Aurnhammer: Der Freiburger Germanist Gerhard Kaiser ist tot. In: Badische Zeitung vom 6. August 2012.</ref>

Leistung

Das Geschichtsstudium und eine frühe Rezeption Hegels und des Marxismus (Georg Lukács) schärften Kaisers Aufmerksamkeit für die geschichtliche und gesellschaftliche Einbettung der Literatur. Die Schule der Interpretation (Emil Staiger, Hugo Friedrich) gab ihm die Instrumente für einen minutiösen Umgang mit dem literarischen Text und ließ ihn die Einsicht gewinnen, dass Dichtungen nicht Widerspiegelung, sondern individuelle Antworten auf die geschichtliche Situation sind. Die Promotion als Historiker richtete seinen Blick auf die Ausstrahlung des Christentums in die säkulare Kultur. Kaisers Ziel als Literaturwissenschaftler ist es, die eminente Kulturbedeutung der Literatur als einzigartigen, hochkomplexen Mediums der Weltdurchdringung und -deutung im Bewusstsein unserer Zeit lebendig zu halten. Das wird versucht sowohl in Grundsatzüberlegungen (Wozu noch Literatur? 1996) wie in eindringlichen Einzelinterpretationen wie auch in geschichtlichen Darstellungen, die literarische Epochen als spannungsvolle Konstellationen von Werken und Autoren in ihrem Zeitbezug auffassen. Kaiser klärte und bereicherte seine Sicht in intensiver literaturtheoretischer Diskussion mit der Psychoanalyse, der Kritischen Theorie, dem Poststrukturalismus und zuletzt der kulturwissenschaftlichen Wende der Literaturwissenschaften. Aus seiner Frage nach Funktion und Transformation christlicher Vorstellungen, Motive, Bilder und Strukturen speziell in nichtchristlicher Literatur trat schließlich die umgekehrte Frage heraus: Was erbringt die literarische, im Kernbestand erzählerische Darstellungsweise der Bibel theologisch? Kaisers Untersuchen, wie das Christuswort „Die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8,32) 1911 zur Devise der dezidiert wissenschaftsliberalen Universität Freiburg werden konnte, mündet in die wissenschaftstheoretische Erörterung in eigener Sache, ob und wie ein Christ ein moderner Wissenschaftler sein kann.

Werke

  • Pietismus und Patriotismus im literarischen Deutschland: Ein Beitrag zum Problem der Säkularisation, Wiesbaden 1961. 2. erg. Aufl. Frankfurt 1973 (Diss. 1956)
  • Klopstock: Religion und Dichtung, Gütersloh 1963 (Studien zu Religion, Geschichte und Geisteswissenschaft 1). - Erweiterte Fassung der Habilitations-Schrift - 2., durchges. Aufl. Kronberg/Ts. 1975
  • Geschichte der deutschen Literatur von der Aufklärung bis zum Sturm und Drang: 1730-1785. Gütersloh 1966 (Einzelband aus: Geschichte der deutschen Literatur. Hrsg. H. Rüdiger.). - 2., erw. und vollst. überarb: Aufl. Titel: Aufklärung. Empfindsamkeit. Sturm und Drang. München 1976 (= Geschichte der deutschen Literatur / Hrsg. von Gerhard Kaiser. Bd. 3.

Einzelnachweise

<references />