Ausländerpolitik


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Die Ausländerpolitik zielt darauf ab, die rechtliche, politische und soziale Stellung von Ausländern in dem Staat, in dem sie leben, verbindlich zu regeln. Der Begriff umfasst sowohl die entsprechenden Institutionen als auch politische Bestrebungen und Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse.<ref>Vgl.: Manfred G. Schmidt, Ausländerpolitik, in: Manfred G. Schmidt: Wörterbuch zur Politik. Zweite, vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2004, S. 57.</ref> Die Ausländerpolitik berührt dabei weitere Politikfelder wie die Innenpolitik, die Außenpolitik und die Arbeitsmarktpolitik.

Entwicklung der europäischen Migrationspolitik

Die Europäische Union spielt eine immer größere Rolle in den politischen Feldern Integration, Migration und Asylrecht in einem Europa ohne Binnengrenzen. So hat die supranationale EU verschiedene Richtlinien erlassen, vor allem im Bereich der Asylpolitik, die die Mitgliedstaaten verpflichtend in nationales Recht umsetzen müssen. Der Einfluss der Europäischen Union zeigt sich beispielhaft am aktuellen Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz, welches auf EU-Vorgaben beruht.

Petra Bendel unterscheidet bei der europäischen Migrations- und Asylpolitik drei Phasen:<ref> Petra Bendel und Marianne Haase, Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Wann war das?. Geschichte der europäischen Migrationspolitik bis heute. 29. Januar 2008 (HTML, abgerufen am 12. September 2010).</ref>

  • 1957–1990: koordinierte Politik der EU-Staaten
  • 1990–1999: verstärkte Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten
  • 1999–heute: Gemeinsame Migrationspolitik

Koordinierte Politik

Bis 1990 verfügte die EU über keinerlei migrationspolitischen Kompetenzen. Jeder Staat regelte seine Belange selbst und es gab nur in Bereichen wie Kriminalitätsbekämpfung erste gemeinsame Absprachen. 1989 waren die Mauer gefallen und der 'eiserne Vorhang' hatte sich geöffnet; deshalb gewann 1990 die europäische Migrationspolitik an Gewicht.

Kooperation der Einzelstaaten

Von 1990 bis 1999 stiegen die Asylantragszahlen und einige europäische Staaten einigten sich auf Kooperation und die Verteilung der Asylbewerber. Es kam zu folgenden Abkommen :

Gemeinsame Politik

Der seit 1999 gültige Vertrag von Amsterdam verlagert die Kompetenzen der einzelnen Mitgliedsstaaten zu Migration und Asyl nach Brüssel.

Gesetzgebende Strukturen

Im Zuge dieser Vergemeinschaftung von Asylpolitik, Einwanderungspolitik und Flüchtlingspolitik verabschiedete nun die supranationale Behörde entsprechende gemeinsame und von den Mitgliedstaaten verbindlich umzusetzende Richtlinien. Damit einher ging die Ausstattung des Europäischen Parlaments mit mehr gesetzgeberischer Macht. Die Europäische Kommission kann Gesetzesvorhaben von höherer Bedeutung anstoßen. Diese bedürfen wiederum der Zustimmung des Rates der Europäischen Union (siehe auch Richtlinie (EU), Verordnung (EU), Rechtsetzung der Europäischen Union).

Entwicklung der deutschen Ausländerpolitik

Deutsches Reich (1871–1918)

Das preußische Modell

Die preußische Ausländerpolitik zur Wende zum 20. Jahrhundert zeigt deutliche Gemeinsamkeiten hinsichtlich Ausländerbeschäftigung, Staatsräson und Sicherheitspolitik mit der Anwerbepolitik der Bundesrepublik Deutschland in der Gastarbeiterphase. Das Rotationsprinzip erleichterte dem Deutschen Reich den Wandel vom Agrarstaat in einen Industriestaat erheblich und milderte soziale Auswirkungen der Transformation auf die Einheimischen beträchtlich; die Wanderarbeiter federten Härten ab.

Bereits 1885 betrieb die Hohenzollern-Monarchie die Massenausweisung ausländischer Polen aus den Grenzregionen und erließ ein Zuwanderungsverbot. Reichskanzler Bismarck instrumentalisierte zur Konsolidierung seiner rural-konservativen Regierungskoalition die laut diskutierte nationalpolitische Gefahr aus den Ostprovinzen. Die sicherheitspolitische Befürchtung basierte auf der Gefahr eines polnischen Nationalstaates, welchen Polenstämmige aus Preußen, dem zaristischen Russland und aus Österreich-Ungarn etablieren könnten. Rufe nach Wiederherstellung eines polnischen Gesamtstaates wurden seit 1848 laut. Untergründig wirkten auch Preußens Übernahme Schlesiens im Jahre 1742 und die Einbeziehung der Provinz Posen ins Deutsche Reich trotz erheblicher Proteste von Seiten Polens. Auch die Alvenslebensche Konvention von 1863 zählt zur politischen Vorgeschichte, in der sich Preußen an der Niederschlagung des Januaraufstandes im Russischen Reich beteiligte. Zudem führte Preußen von 1871 bis 1885 einen erbitterten Kampf gegen die katholische Kirche und betrieb energisch die Germanisierung von Schule und Verwaltung.

1873 verfiel der Weltwirtschaftspreis für Getreide. Die Große Depression (= Gründerkrise) begann und damit eine Ost-West-Wanderung. Die Landarbeiter von den ruralen ostelbischen Gütern zogen nach Westdeutschland. Dort lockten im Zuge der Industrialisierung Löhne, die nicht-saisonal waren und attraktiver als in der heimischen Landwirtschaft. In der Folge mangelte es den Großbauern in Ostpreußen an Arbeitskräften. Die Aussicht auf Arbeit initiierte eine verstärkte Zuwanderung von Polen in die Ostprovinzen. In den betroffenen Gebieten verschoben sich die Verhältnisse innerhalb der Bevölkerung zugunsten der Zuwanderer. 1871 betrug der polnische Bevölkerungsanteil in der Provinz Posen 57,2 Prozent, 1910 60,9 Prozent, wobei der polnische Saldo mit +41,2 Prozent weit über der Zuwachsrate der Deutschen mit +18,9 Prozent lag, trotz der Massenausweisungen 1885. Preußens Ausländerpolitik sah sich gefordert, zwischen sicherheitspolitischen Sorgen und ökonomischen Interessen abzuwägen. Die Entscheidung fiel auf eine antipolnische, kontrollierte, transnationale und saisonale Anwerbepolitik.

1914 betrug die kontinentale Einwanderung in das Deutsche Reich nach amtlichen Schätzungen 1,2 Millionen Arbeitsmigranten. Acht von zehn dieser Deutschlandgänger waren Preußengänger, welche als Saisonarbeiter in die preußischen Ländereien einwanderten. Die wichtigsten Gruppen kamen aus dem russischen Zentralpolen, in geringerem Umfang aus dem österreichisch-ungarischen Galizien sowie aus Italien. Die italienischen Arbeitsmigranten waren speziell in Ziegeleibetrieben, im Tiefbau, im Bergbau und in der industriellen Produktion tätig, kaum in der Landwirtschaft.

Lediglich in den nach Bergleuten ringenden oberschlesischen Ostgebieten war es den polnisch-russischen Arbeitern erlaubt, im Kohlebau zu arbeiten. Preußen annektierte 1742 das seit 1526 unter Habsburger Herrschaft stehende Montangebiet Schlesien und besiedelte es, abgesehen von Oberschlesien, ziemlich dicht mit deutschen Siedlern. Schlesiens Bevölkerung bestand 1910 aus 1.169.340 polnischen (53 %), 884.045 deutschen (40 %) und 154.596 zweisprachigen Einwohnern. Die deutsch-polnischen Bergleute zogen als Ruhrpolen in den Westen in das Ruhrgebiet, woran Preußen sie wegen ihrer Staatsangehörigkeit nicht hindern konnte. Ohne Kohle als Motor der Wirtschaft wäre die Industrialisierung zum Erliegen gekommen.

Die direkten staatlichen Interventionen bewirkten, dass sich das Deutsche Reich im Vorkriegsjahrzehnt nicht vom Auswanderungs- zum Einwanderungsland entwickelte, sondern zum zweitgrößten Arbeitseinfuhrland der Erde nach den USA (Ferenczi).

Preußens antipolnische Abwehrpolitik

Die preußische Leutenot war Folge transatlantischer Auswanderung und Abwanderung der Arbeitskräfte in den besser bezahlten Westen und zeigte sich zunächst in den ostelbischen Gutsdistrikten. Die Großbetriebe deckten ihren Bedarf durch Wanderarbeiter jenseits der preußischen Ostgrenzen. Dort fanden sich zahlreiche billige und willige Arbeitskräfte für den Hackfruchtbau mit Rüben und Kartoffeln. Die Arbeitskolonnen bestanden meist aus Frauen, denen ein zweisprachiger männlicher Kolonnenführer vorstand. Die Männer unterdrückten die Untergebenen sowohl in psychophysischer als auch finanzieller Hinsicht mittels der Lohnverwaltung.

Der katastrophale Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft des preußischen Ostens nötigte Berlin seit dem Ende der 1880er Jahre dazu, nach einer Lösung zu suchen, die die ökonomischen Interessen befriedigen sollte, ohne die sicherheitspolitischen zu gefährden. Es ging darum, den nötigen Arbeitskräftezustrom aus dem östlichen Ausland nicht zur Einwanderung geraten zu lassen, sondern in den Bahnen einer transnationalen Saisonwanderung zu halten.

Zu diesem Zwecke etablierte Preußen ab 1890 ein Kontrollsystem zur Steuerung und Überwachung der Arbeitsmigration der polnischen Arbeitskräfte. Die steigende Nachfrage in den östlichen Zonen führte zu einem harten Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Anwerbern. Diesen verschärften Anwerber aus Übersee, welche ebenso am Markt agierten. Dies wiederum führte zu Unstimmigkeiten mit Moskau und Warschau, welche sich die Manipulation des heimischen Arbeitsmarktes verbaten, da die Löhne in der Landwirtschaft wegen schwindenenden Arbeitsplatzangebots stiegen. Im Gegenzug sah sich Berlin genötigt, die Anwerbeverfahren der in der Hauptsache polnischen Frauen transparenter zu gestalten. Ein wesentlicher Schritt war 1907 die Übertragung des Anwerbemonopols auf die Preußische Feldarbeiterzentrale.

Die Leitung des Rotationsverfahrens übernahm ab 1907 die Preußische Feldarbeiterzentrale, aus welcher später die Deutsche Arbeiterzentrale hervorging. Preußen übertrug der halbamtlichen Behörde das Zulassungsmonopol zunächst über die auslandspolnischen Zuwanderer. Bis zum Ersten Weltkrieg erhielt die Zentrale das Legitimationsmonopol wegen der Führung geeigneter Statistiken über alle ausländischen Arbeitskräfte, wobei wegen der nichtpolnischen Anteile keine Restriktionen gefordert wurden. Entlang der Ostgrenze kontrollierten 141 Filialen der Feldarbeiter-Zentralstelle den Einreiseverkehr. 1913 waren allein 39 Grenzämter mit ihren Barackenlagern dazu in der Lage, täglich bis zu 10.000 Menschen aufzunehmen. Einlass fanden nur Saisonarbeiter mit festem Arbeitsvertrag und Arbeitgeber. Die Nachweise berechtigten zum gebührenpflichtigen Erwerb einer Legitimationskarte als Aufenthaltstitel auf dem Territorium des Deutschen Reiches. Die Karten waren farblich sortiert, – Niederländer und Belgier erhielten blaue, Polen rote und Ruthenen gelbe Einwanderungserlaubnisse. Die mit amtlichen Funktionen ausgestattete Privatfirma finanzierte sich selbst über Gebühren für die Legitimationskarten, für die sie das Monopol hatte.

Berlins Ausländerpolitik zu polnischen Arbeitern stützte sich auf den ab 1909 gesetzlich verankerten Inlandslegitimierungszwang und den für die Polen geltenden Zwang zur Rückkehr während der Sperrfrist (Karenzzeit) im Winter als flankierende Maßnahme zum Rotationsverfahren. Der Legitimationszwang stand für rigide Ausländerkontrollen und temporäre, nur für die aktuelle Saison gültige Genehmigungen für Aufenthalt und Arbeit in Preußen außerhalb der Sperrzeit vom 20. Dezember bis zum 1. Februar. Während dieses Zeitraums erfolgte keine Duldung polnischnationaler oder russischstaatlicher Ausländer im preußischen Binnenraum. Um die Betroffenen daran zu hindern, in andere Teilstaaten Deutschlands auszuweichen, versuchte Preußen erfolglos, diese zur Unterstützung der Zwangsrotation im ganzen Deutschen Reich zu bewegen. Teilweise entzogen sich die Wanderarbeiter auch mithilfe deutscher Arbeitgeber durch unerlaubte Beschäftigungen.

Für besonders qualifizierte Einwanderer im nichtlandwirtschaftlichen Bereich mit gesicherten Lohnverhältnissen galt die Regelung nicht.

Das Rotationsprinzip hielt die länderübergreifende Wanderung im Gange und gleichzeitig schränkten die nötigen Legitimationskarten die Bewegungsfreiheit der Wanderarbeiter erheblich ein, da darauf Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermerkt waren. Der Arbeitnehmer bedurfte des Einverständnisses des Arbeitgebers um den Job zu wechseln. Ansonsten drohte die sofortige Abschiebung wegen mangelndem Arbeitseifer oder „Kontraktbruch. Konnte sich ein polnischer Arbeiter nicht ausweisen, erfolgte sofort die Ausweisung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts bzw. naheliegendem Verdacht auf Kontraktbruch.

Die polnischen Wanderarbeiter wurden gezielt aus eventuellen Gruppierungen aussortiert, Familienverbände und Gruppen zerrissen. Familiennachzug war nicht gestattet und die einzelnen Kolonnen wurden nach jeweiligem Geschlecht getrennt. Eventuelle Schwangerschaften zogen die sofortige Abschiebung auf eigene Kosten nach sich. Im Frühjahr empfing Preußen die Arbeiter willkommen und im Herbst verstärkten ordnungspolitische Maßnahmen gegen die lästige 2003, S. 56–107.

  •  Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge. Beck, München 2001.
  •  Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Zuwanderung gestalten. Integration fördern. Bericht der Unabhängigen Kommission Zuwanderung. Berlin 2001.
  •  Jürgen Leibold: Immigranten zwischen Einbürgerung und Abwanderung. Eine empirische Studie zur bindenden Wirkung von Sozialintegration. Göttingen 2007 (HTML, abgerufen am 12. September 2010).
  •  Friedrich Heckmann: Die Bundesrepublik: Ein Einwanderungsland?. Klett-Cotta, Stuttgart 1981.
  • Ausländergesetz

        •  H. Rittstieg: Das neue Ausländergesetz. Verbesserungen und neue Probleme. In: K. Barwig u.a. (Hrsg.): Das neue Ausländerrecht. Baden-Baden 1991.
        • Kommentar: H. H. Heldmann: Ausländergesetz, 1991, Frankfurt a.M. 1991; vgl. K. Sieveking, Ausländerrecht und Ausländerpolitik 1990 (Zentrum für Europäische Rechtspolitik an der Universität Bremen), Bremen 1991

    Weblinks

    Einzelnachweise

    <references />


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